Flusslandschaft 1982

Frieden/Abrüstung

9. – 12. April: Unter dem Eindruck der Notstandsgesetzgebung (1968), der Militärintervention des Warschauer Pakts in der CSSR (1968), der Bildung einer sozialliberalen Bundesregierung (1969) sowie interner Differenzierungsprozesse kam die Ostermarsch-Bewegung 1970 zunächst zum Er-
liegen bzw. ging in anderen sozialen Bewegungen auf. Das änderte sich 1979 mit dem NATO-Dop-
pelbeschluss zur Stationierung von Atomwaffen in der Bundesrepublik. 1982 beleben das Münch-
ner Friedensforum
und die Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung (BIFA) die Ostermarschbewegung wieder. Das Motto lautet: „München kein Hiroshima! Keine neuen Atom-
waffen in unser Land – Kampf dem Atomtod!“ Aus dem Zusammengehen der beiden Initiativen, aus dem Ostermarschkreis entsteht in wenigen Jahren das Münchner Friedensbündnis. Noch 1987 heißt es „Ostermarschbündnis“. Am 12. April 1982 beteiligen sich fast 500.000 Menschen an fünf-
zig Ostermärschen und Veranstaltungen in der Bundesrepublik. Dieter Lattmann sagt vor etwa 10.000 Teilnehmern des Münchner Ostermarsches an der Münchner Freiheit in Schwabing: „Die Null-Lösung, die Mr. Reagan vorschlägt, sind im Ernstfall wir.“1

„Gemeinsam für Frieden und Arbeit“ — 17. April in München: 10 Uhr Diskussionsforen, 16.30 Uhr Demonstrationen, 18.30 Kundgebung, 20 Uhr dezentrale Kulturveranstaltungen, 18. April in Da-chau: 10 Uhr Manifestation gegen Krieg, Faschismus und Reaktion für Frieden und Abrüstung. Veranstalter: SJD — Die Falken, Jungsozialisten

Die CSU organisiert für den 5. Juni eine proamerikanische Kundgebung auf dem Königsplatz; es kommen 40.000 Menschen.2 – Parallel zum NATO-Gipfel in Bonn, bei dem auch Ronald Reagan anwesend ist, findet am 10. Juni dort die bis dahin größte Demonstration auf deutschem Boden statt. Rund fünfhunderttausend Menschen folgen dem Ruf der Friedensbewegung. Zahlreiche Busse aus München sind nach Bonn gefahren. Vermutlich nehmen sogar Staatsdiener an den Pro-
testen teil, ohne sich um die Meinung des Dienstherrn zu scheren.3

… dritte Fahrradrallye zu militärischen Einrichtungen in München …

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Das Cartoon-Caricature-Contor in der Clenensstraße 27 zeigt bis zum 30. September „Vivat overkill. Satiriker zum Thema Rüstung – Frieden – Hoffnung“. 28 Zeichner und sechs Texter arbeiten sich an der Gegenwart ab; manche Besucher meinen: vergeblich. Die Abbildung zeigt Hans-Georg Rauchs „I can get no satisfaction“.

Tausend Menschen marschieren im Demonstrationszug anlässlich des Antikriegstages am 1. September. Bei der Abschlusskundgebung auf dem Odeonsplatz spricht der 2. Vorsitzende des DGB Bayern, Fritz Schösser.5

Der Ausspruch „Da legst di nieder“ ist wie vieles im hiesigen Idiom durchaus doppeldeutig. Der grimmig dreinschauende Münchner lacht sehr selten, aber manchmal auch aus Verzweiflung, weil er etwas ernst nimmt, zum Beispiel Neutronenbomben, und dazu braucht er dann einen Humor.6

Am 11. Dezember findet ein Demonstrationszug gegen die Stationierung von Atomraketen statt.7

Im Dezember entsteht auf Initiative des Starnberger Friedensforschers Alfred Mechtersheimer das Informationsbüro für Friedenspolitik (ibf) in der Pestalozzistraße 6. Das Büro gibt einen wöchent-
lichen Pressedienst, den Friedenspolitischen Kurier (fpk), heraus.

Siehe auch „Kunst/Kultur“ und „SPD“.

(zuletzt geändert am 19.7.2020)


1 Fotos von der Demo in München von Harald Frey in: tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 138 vom April 1982, 4 f. Siehe die Fotos von der Kundgebung und Demonstration beim „ostermarsch“ am 12. April von Cornelia Blomeyer.

2 Vgl. Süddeutsche Zeitung 128/1982.

3 Siehe „Das Gespenst des Pazifismus“ von Christian Müller und Gerhard Polt.

4 Münchner Merkur 173 vom 31. Juli/1. August 1982, 14.

5 Vgl. Süddeutsche Zeitung 201/1982.

6 Siehe „Litanei“ von Anderl Lechner.

7 Vgl. Süddeutsche Zeitung 286/1982.