Materialien 1977
Das vergisst du nicht so leicht
Es war um den 27./28. April herum, als die Urteile in Stuttgart Stammheim fielen. Ich wohnte mit meiner Freundin damals in einem winzigen Zimmer in einem Hinterhaus in der Maßmannstraße auf halber Höhe zwischen dem Maßmannplatz und der Dachauer Straße auf der linken Seite. Im Vorderhaus gab es Wohngemeinschaften, in denen wir Bad und Küche benutzten. Gegenüber auf der anderen Straßenseite befand sich der BMW-Vertrieb vom Schorsch Meier.
Tag und Nacht parkte ein Polizeifahrzeug vor unserer Tür, darin saßen zwei Herrn. Wir sind schon auch hin und haben sie angepflaumt. Es war klar, die sind vom Staatsschutz. Einmal wurde bei so einer Gelegenheit das Gespräch, das über den Polizeifunk lief, mitgeschnitten. Da wurden die Na-
men all derer genannt, die zu überwachen waren. Die B.O.A.1 müsste dieses Band noch haben.
Egal, wohin wir gegangen sind, die Herren kamen hinterher. Wie ich einmal hinunter ging in die Bäckerei in der Schleißheimer Straße, um mir Semmeln zu holen, haben sie mich mitten im Ver-
kaufsraum festgehalten und durchsucht. Das war natürlich Methode: Alle Nachbarn sollten wissen, dass man zum Kreis der Unterstützer, der Sympathisanten gehört. Viele Leute sagten, sie finden bei dieser Totalüberwachung nichts dabei, diese Sympathisanten verdienen es nicht anders. Und wenn du heute jemandem erzählst, wie es war, dass du eines Morgens aufwachst und mehrere Dutzend Polizisten stehen bei dir in der Wohnung und vor allem im Schlafzimmer herum, dann glaubt dir das keiner. Die standen herum und traten sich gegenseitig auf die Füße. Einem der Po-
lizisten, der bei uns in der WG eine enge Treppe hochkletterte, fiel dabei die Maschinenpistole auf den Boden. Das vergisst du nicht so leicht.
Die Geschichte endete bekanntlich mit dem Einsatz vor der Maxburg …
Egon Günther im Gespräch mit G. Gerstenberg am 19. August 2009.
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1 = „Bilder – Objekte – Aktionen“ Videofilm-Kooperative. Siehe „Medien“ in der Flusslandschaft 1974.