Materialien 1956

Proteste zwecklos?

Wie eine Reihe anderer demokratischer Organisationen hat der Club republikanischer Publizisten im Grünwalder Kreis die Verfügung des Bundesverteidigungsministeriums, wonach ab sofort ehemalige SS-Offiziere auch im Rang eines Majors und Oberstleutnants in die Bundeswehr übernommen werden, zum Anlass genommen, sich an die Fraktionen des Bundestages, an die Parteien und an den Deutschen Gewerkschaftsbund zu wenden. Der CrP lenkt die Aufmerksamkeit der genannten Organe darauf, dass der Personenkreis, der damit in Führungsstellungen der Bundeswehr gelangt, nicht für sich beanspruchen kann, zum Eintritt in die SS gezwungen worden zu sein. Vielmehr handelt es sich dabei um Offiziere, die freiwillig und aus Überzeugung die radikalsten Maßnahmen des Dritten Reiches gegen Recht, Menschenwürde und Religion unterstützt und zum Teil mit ausgeführt haben. Durch diese Verfügung des Verteidigungsministeriums wird die Unterscheidung zwischen anständigen Soldaten und militanten Funktionären der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft praktisch unmöglich gemacht. Der CrP sieht einen ganz besonders unheilvollen Umstand darin, dass diese SS-Offiziere nicht durch das individuelle Untersuchungsverfahren des Personalgutachter-Ausschusses geprüft werden. Es ist zu erwarten, dass diese SS-Offiziere als Bataillons- und Regimentskommandeure einen erheblichen erzieherischen Einfluss auf die Truppe gewinnen werden in einem Augenblick, in dem die Bundeswehr eigene demokratische Grundüberzeugungen in Praxis noch nicht hat zur Geltung bringen können.

Indem diese Befürchtungen, die, wie aus der Presse hervorgeht, in allen Schichten des Volkes und quer durch die Parteien geteilt werden, mit Nachdruck zum Ausdruck gebracht werden, will der CrP keineswegs ein Kollektivurteil über sämtliche Angehörige der ehemaligen Waffen-SS fällen.
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Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums erklärte am 17. September, die Proteste verschiedener Länderregierungen und Organisationen gegen die Einstellung von früheren Offizieren der Waffen-SS in die Bundeswehr hätten keinen Einfluss auf die Einstellung solcher Bewerber. Er erklärte weiter, dem Ministerium lägen bis jetzt keine Unterlagen vor, wie viele ehemalige Angehörige der Waffen-SS sich freiwillig gemeldet hätten.

CrP-Informationsdienst. Club republikanischer Publizisten im Grünwalder Kreis, September 1956, 1.