Flusslandschaft 2007
Zensur
Die Exfreundin und ihre Mutter ziehen vor Gericht. Sie sehen in Maxim Billers Roman „Esra“ ihr Persönlichkeitsrecht verletzt. Der Rechtsstreit geht bis zum Bundesgerichtshof, der bei der Abwä-
gung zwischen den Grundrechten Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Kunst den Roman verbie-
tet und damit auch den Autor sowie dessen Verlag in finanzielle Schwierigkeiten bringt. Zuletzt hatte Karlsruhe im Jahre 1971 Klaus Manns Roman „Mephisto“ verboten. Der Karikaturist Guido Zingerl aus Fürstenfeldbruck schreibt: „Politische Karikatur liquidiert. Die Kunstrichter von Karls-
ruhe/SZ vom 13./14. Oktober – Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Roman ‘Esra’ wird weitreichende und verheerende Folgen für die Freiheit der Kunst haben. Es liegt überdies – und das verstärkt seine Konsequenzen – im derzeitigen gesellschaftlichen Trend der Aushöhlung des Grundgesetzes, der Gesetzesverschärfung, der Überwachung und Bespitzelung und der Propagie-
rung einer Leitkultur. – Für eine Kunstgattung sogar würde das Urteil jetzt schon das Aus bedeu-
ten, wenn es wörtlich genommen wird. Zitat aus dem Urteil: ‘Je stärker Abbild und Urbild überein-
stimmen, desto schwerer wiegt die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts.’ Mit dieser rechtli-
chen Vorgabe ist die Kunstgattung Karikatur, vor allem die politische Karikatur, liquidiert, geköpft oder stand-‘rechtlich’ erschossen. Denn sie lebt allein von der Erkennbarkeit der Personen und ihrem Realitätsbezug. Karikatur ist eine subtile Verbindung von Realismus, dessen Überhöhung, Text, Sachbezug und Dokumentation zugleich. Da muss praktisch das Karlsruher Lackmuspapier, hier Persönlichkeitsrechtsmesspapier, sofort umschlagen: Heribert Prantl hat das trefflich be-
schrieben. Adieu politische Karikatur! Und wie Prantl richtig bemerkt: Zivilprozesse kann ein Karikaturist wie ich nicht durchstehen, da waren Strafprozesse billiger. Die lachenden Sieger brauchen ihr Zerrbild nicht mehr zu fürchten, Lesern und Bürgern soll das Lachen vergehen.“1
1 Süddeutsche Zeitung 244 vom 23. Oktober 2007, 34.