Materialien 1981

Die Tontechnikerin in der Schallaufnahme des Hörfunks

… Eines Tages nun wurde ich zum Dienst in dieses Einmannstudio beordert. Obwohl unzweifelhaft eine Frau, arbeitete ich dort und damit als erster weiblicher Ton-Ingenieur des BR am Mischpult …

E hatte bis dahin immer geheißen, daß Frauen nicht am Mischpult arbeiten könnten. Ihnen würde 1. die technische Qualifikation fehlen und 2. wären sie nicht imstande, sich den produzierenden Abteilungen gegenüber durchzusetzen.

Nun, offensichtlich konnte ich diese Meinung ad absurdum führen, denn es dauerte nicht lange, da konnte die zweite Kollegin, Irene Edenhofer, heutiges GHV-Mitglied der RFFU, den Platz am Mischpult einnehmen.

Wir hatten schon während des Krieges angefangen, als Technikerinnen zu arbeiten, wir hatten große Hörspiel- und Musikproduktionen gemacht, hatten jahrelang Sendung gefahren, die Auf-
sicht über die Kolleginnen der Schallaufnahme geführt.

Unfähigkeit der Frau am Mischpult?

Die produzierenden Abteilungen erkannten sehr rasch, welche Vorteile diese kleinen Studios für sie hatten. Erst einmal waren sie natürlich billiger als die großen Studios, zum anderen hatten sie aber den großen Vorteil, daß man sich nur mit einer technischen Person auseinanderzusetzen hatte, man war auf bis dahin ungewöhnte Art flexibel geworden.

Sicher, man lernte auch erkennen, wo die Grenzen dieser Studios lagen. Und sie lagen nicht in
den technischen Fähigkeiten der Damen und Herren dort, sondern in der Unzulänglichkeit des menschlichen Körpers. Wenn unser Kopf schon imstande ist, die Tätigkeit mindestens zweier Menschen zu vollziehen, unsere Arme ließen sich nur bedingt vervielfachen, z.B. drei Maschinen von Hand starten (den Fernstart gab es erst Jahre später) und gleichzeitig mehrere Regler in unterschiedlicher Weise zu öffnen oder zu schließen, das ist nicht immer möglich.

Aber wenn ich die Reihe der Musik und Feature-Produktionen anschaue, die im Laufe der Jahre gemacht wurden – von einer Unfähigkeit der Frau am Mischpult ist da nichts zu merken. Und daß eine Frau sich den Abteilungen gegenüber nicht durchsetzen kann – das war nie ein Thema in den Studios. Heute haben wir 5 Einmannstudios mit.je 6 Mikroanschlüssen, 4 f’esten Magnetofonen, 2 Plattenmaschinen und 8 Filtern.

Frauen werden die „höheren Weihen“ verweigert

Nach einigen Jahren verließen uns die männlichen Kollegen. Einige Ton-Ingenieure aus den großen Studios waren in Pension gegangen, die jungen, die sich in den Einmannstudios die ersten Lorbeeren verdient hatten, rückten weiter, erhielten sozusagen die höheren Weihen. An ihre Stelle kamen Damen, und heute ist es so, daß in den Ein-,,Mann"-Studios ausschließlich Frauen arbeiten.

Emanzipation? Gewiß nicht. Die „höheren Weihen’“ werden uns nach wie vor verweigert. Be-
gründung: Wir haben nicht die entsprechende Ausbildung. Das stimmt und stimmt nicht. Es gibt hochqualifizierte Kollegen in den großen Studios, die haben die gleiche Ausbildung wie wir. Es gibt aber natürlich auch Kollegen, die ein Hochschulstudium haben, die auf der Tonmeisterschule waren.

Aber in Wirklichkeit ist es der Streit um des Kaisers Bart. Wo kein Wille, da eben auch kein Weg. Ich habe – notgedrungen – gelernt, mich zu bescheiden. Aber ich hoffe herzlich, daß eines Tages auch in den großen Studios eine Frau beweisen kann, daß Fähigkeit oder Unfähigkeit nicht vom Geschlecht abhängig ist.

Auf einmal nur noch Ton-Technikerinnen?

Nachbemerkung: Seit 1962 nennen sich die in den Einmannstudios arbeitenden technischen Personen Ton-Ingenieure. Nachdem der Titel gesetzlich geschützt wurde, arbeiten „den Ton-Ingenieuren gleichgestellte Personen“ dort. Seit die neuen Richtpositionen beim BR heraus-
gekommen sind, sich der geschützte Titel des Ton-Ingenieurs überall im Haus zum Ton-Meister gewandelt hat und ausschließlich Frauen in den Einmannstudios arbeiten. soll es dort auf einmal nur noch Tontechnikerinnen geben, die – mit einer kleinen Zulage – auch dementsprechend be-
zahlt werden. Ist doch komisch, nicht? Der Einspruch läuft.

Marianne Roewer

(Ton-Ingenieurin beim Bayerischen Rundfunk, RFFU-Verband Bayern)


HFF. Hörfunk, Fernsehen, Film. Zeitschrift der Rundfunk-Fernseh-Film-Union (RFFU) in der Gewerkschaft Kunst (GK) im DGB 5 vom Mai 1981, 25.

Überraschung

Jahr: 1981
Bereich: Frauen