Materialien 1981

Kostproben aus vier Stunden Satire im Hofbräuhaus

Der Saal im Hofbräuhaus war brechend voll, rund 1.100 Zuschauer belegten auch den letzten Stuhl, um mit großem Engagement und oft stürmischer Begeisterung dem Programm zu folgen. Hier einige Kostproben:

Carl Amery: Mediensonate in vier Sätzen

Von Pit Klein, der als Moderator im Bildschirm fungierte, wurden die Künstler des Abends als nicht so bekannt angekündigt, da das Fernsehen die Zuschauer sehr wirkungsvoll vor diesen Leuten ,,schütze“.

Carl Amery eröffnete den Reigen mit einer Mediensonate in vier Sätzen; sie begann so:

Präludium. Auf Kollegen, tauchen wir
in den Mediendschungel,
dunkel-heiß vollziehen sich hier
Knäuel und Gekungel.
Wo die Welt gehobelt wird,
fallen blutige Späne,
über Bild und Bildschirm
schwirrt Prag und Lambarene.

Fasia Jansen: Lieder von Druckern, Stahlkochern und Frauen

Die Stimmung im Saal wuchs, als Fasia Jansen die Kolleginnen und Kollegen zum Mitsingen aufforderte, zum Beispiel beim Refrain des Druckerlieds:

Auf ihr Drucker,
jetzt gibt es mächtig Dampf.
Jetzt machen wir die Straße (die Presse)
frei im Drucker-Arbeitskampf!

Nach einem „Dortmunder Heimatlied“ vom Kampf gegen die Schließung des Hoesch-Werks sang Fasia Jansen wieder mit den Zuschauern die Ballade von den Frauen: Nein, nein, das ist nicht wahr. Nicht recht, die Frauen sind kein schwach Geschlecht.

Bernt Engelmann zur Medienpolitik

Bernt Engelmanns Einleitung zu einem ziemlich trostlosen Literaturausblick beschäftigte sich mit Medienpolitik:

„Ich soll hier etwas Medienpolitisches und zugleich Heiteres sagen. Aber erstens finde ich die Me-
dienpolitik absolut nicht erheiternd und zweitens verstehe ich davon wirklich nur sehr wenig, bei-
nahe nichts. Es geht mir da so wie den meisten Politikern, die ich von Medien und Medienpolitik habe reden hören.

Immerhin habe ich einiges aufgeschnappt. Ich weiß z.B., daß eine flächendeckende Verkabelung unser höchstes Ziel sein soll. Meine Nachbarn und ich reden viel von solcher Verkabelung. Wir leben in einem oberbayerischen Tal, und da wären wir oft schon froh, wenn wir wenigstens eini-
germaßen gebührend – d.h. den von uns gezahlten Gebühren entsprechend – Anschluß an die große, weite Welt hätten. Es muß nicht gleich Tannu Tuwa oder Abu Dhabi sein. Die Orte, die wir gern, ohne schon nach der ersten 0 ein Besetzt-Zeichen zu bekommen, anwählen können möchten, liegen viel näher – etwa die Autowerkstatt in Hausham oder der Tierarzt in Rainmühle oder der Kollege in Niklasreuth – alles im Umkreis von weniger als 20 Kilometern, aber was die telefonische Erreichbarkeit angeht, könnten diese Orte auch am Persischen Golf liegen, vor allem abends nach 18 Uhr, oder morgens zwischen 8 und 10, oder freitags gegen Mittag oder in den Ferienmonaten und an den Sonntagen natürlich. Und gelingt es uns doch einmal, im achten Anlauf durchzukom-
men, dann haben wir oft eine gar nicht bestellte Konferenzschaltung.

Deshalb sind meine Nachbarn und ich der Meinung, dass wir einen eigenen Satelliten haben soll-
ten …“

Peter Maiwald zu den neuen Medien im Frühling

Peter Maiwald trug einige Texte vor, darunter „Formulierungshilfen für die Tagesschau“ und „Die neuen Medien im Frühling“.

Dieses Gedicht endete mit den Zeilen:

Der Kanzler läßt noch
um ein bißchen Mut zur Zukunft bitten,
ein paar Sozialarbeiter flehen noch,
bitte Leute, seht nicht fern.
Auf den Köpfen der Regierung tanzen
längst die Zeitungs-Satelliten.
Waschmittel-Fabrikanten
sind die neuen Bildschirmherr’n.
Jawohl, Herr Nachbar,
Arbeitslosigkeit ist arg.
Die neue Röhre,
12 Programme und in Farbe,
macht jede deutsche Wohnung
zum Entsorgungspark.
Die Industrie grinst, keine Bange,
es sind Versuche, daß ihr nicht erschreckt.
Auch der Tornado, liebe Steuerzahler,
war einmal ein Pilotprojekt.
Der Handel feixt vor
Gier mit goldener Nase.
Wer das nicht will,
verstärkt den IG Druck der Straße!

Dietrich Kittner: positives Lügenlied

Dietrich Kittner, Kabarettist aus Hannover, präsentierte ein zum Glück sehr unausgewogenes Programm, zum Beispiel ein „positives Lügenlied“, in dem er unter anderem diese Gegendar-
stellungen brachte:

Die Mitbestimmung floriert,
es ham die Herr’n
von Herzen jetzt die Kumpels lieb,
anstatt sie auszusperr’n.

Und im Zuge einer weiteren Demokratisierung tritt der Arbeitgeberverband als Industriegewerk-
schaft Geld und Werte dem Deutschen Gewerkschaftsbund bei und übergibt seine Profite im Zuge der Stiftung Grundgesetz dem Allgemeinwohl … ja, es heißt ja auch Lügenlied!

Es ist unwahr, daß man in diesem Staat kein objektives Fernsehen machen könnte; wahr ist viel-
mehr, daß man mit diesem Fernsehen objektiv keinen Staat machen kann!

Sarah Camp und die „Guglhupfa“

Nach dem „bayrischen Destilliermarsch“, den die Gruppe „Guglhupfa“ brachte, las Sarah Camp kritische Texte zu „Gesundheitsmagazin zur Fastenzeit“, „Eine Rundfunksendung zum Palm-
sonntag“, „Beitrag zur Woche der Brüderlichkeit“ und „Erzählung eines 11jährigen, der im Fernsehen einen Abenteuerfilm gesehen hat“.

Dazwischen spielten die „Guglhupfa“ satirische Lieder, zum Beispiel Variationen zur Melodie „Viele bunte Smarties“.

Knut Becker zur Mattscheibe im täglichen Leben

Der „Stereotypeur“ Knut Becker las Texte, die sich mit der totalen Mattscheibe im täglichen Leben beschäftigen, zum Beispiel:

Neue Techniken.
Erst haben sie alle gesagt, im Betrieb käme eine neue Technik. Aber die Art, wie sie mich dann rausgeschmissen haben, war doch ihre alte bewährte Technik.

Ekkes Frank mit Liedern, die in den Medien nicht vorkommen

Auch Ekkes Frank ist von Funk und Fernsehen kaum bekannt. Er sang unter großem Beifall das „Lied von der Tagesschau“, das „Lied über die Ausgewogenheit“, von der Besetzung des ZDF, ein Liebeslied an die SPD: „Du läßt dich gehn“, und als Zugabe verarbeitete er singend einen „Solida-
ritäts-Alptraum“.

So begann Ekkes Frank über die Ausgewogenheit:

Was rauscht da im Antennenwald,
ein neuer Wind weht scharf und kalt,
die ganze schwarze Bande brüllt:
Wo bleibt die Ausgewogenheit?

Das Programm wurde aufgezeichnet

Wer am 14. Mai im Hofbräuhaus nicht dabei sein konnte oder wer dabei war und sich einiges noch einmal anhören möchte, kann eine Kassette bestellen, die einen Großteil des Programms enthält. Sie ist erhältlich beim DGB Kreis München, Kassettenprogramm für ausländische Arbeitnehmer, Schwanthalerstr. 64, 8000 München 2, Preis ca. 11 DM.


HFF. Hörfunk, Fernsehen, Film. Zeitschrift der Rundfunk-Fernseh-Film-Union (RFFU) in der Gewerkschaft Kunst (GK) im DGB 6 vom Juni 1981, 8 f.

Überraschung

Jahr: 1981
Bereich: Medien