Materialien 1982
… „die im Dunkeln sieht (und zeigt) man nicht“ ...
Wir möchten den Mitgliedern der Rundfunk-Fernseh-Film-Union einen Fall zur Diskussion stellen, in den folgender gekürzter Brief einführt:
An den
Intendanten
Radio-Bremen – Fernsehen
Heinrich-Hertz Str. 13
2800 Bremen
München, den 13.5.1982
Betr.: Honorarforderung für die Mitarbeit unserer Organisation (Förderkeis zum Aufbau der Feministischen Partei) in der Sendung „Der Aufstand der Hexen“ in der Serie FRAUEN DER WELT von Gordian Troeller (gesendet am 9. Mai 1982 um 17 Uhr 45)
Sehr geehrter Herr Intendant!
Am 13.1.1982 rief Herr Troeller die Geschäftsführerin des „Förderkreises zum Aufbau der Femi-
nistischen Partei“ und Herausgeberin unserer Zeitschrift, Frau Dipl.-Soz. Hannelore Mabry, an und bat um ihre und unsere Mitarbeit in einer geplanten Sendung mit dem Arbeitstitel „Femi-
nistische Perspektiven in Europa“ innerhalb seiner Serie FRAUEN DER WELT …
Während des Telefonats am 13., sowie 14. und 15. und erneut vor Drehbeginn am 16.1.82 einigten wir uns darauf, daß unsere politischen Inhalte und Ziele filmisch am besten umgesetzt würden durch Aufnahme
1.) unseres Info-Stands am 16.1. in der Fußgängerzone in München (da es dabei häufig zu lebhaften Debatten mit der Bevölkerung kommt)
2.) eines Interviews mit Hannelore Mabry am Sonntag, den 17.1. um 10 Uhr in der Redaktion und
3.) der Redaktionssitzung am gleichen Tag um 14 Uhr.
Zu Ihrer Information: Sowohl inhaltlich wie strategisch unterscheidet sich unsere Organisation stark von der Richtung der Feministinnen, die bisher in den Medien ab und an vorgestellt wurden – z.B. den anarchistischen, antiparlamentarischen Frauengruppen, den Lesbierinnen (Feminismus ist die Theorie, Lesbischsein die Praxis) und der in EMMA bzw. durch Alice Schwarzer propagier-
ten Richtung. Wir erlauben uns die letzte Ausgabe von FEMINIST zu Ihrer Information beizufü-
gen, die Herrn Troeller veranlaßte, den Kontakt mit uns aufzunehmen.
Abweichend von der Mehrheit innerhalb der neuen Frauenbewegung fordern wir nicht nur eine Feministische Partei und Gewerkschaft zur Lösung der Frauen- und Kinderfrage, die für uns genau genommen die Väterfrage ist, sondern ausdrücklich die Mitarbeit der Männer zur Abschaffung des Patriarchats.
Insgesamt drehte Herr Troeller bei uns am 17.1. von 10 Uhr früh bis 16 Uhr mit kurzer Unterbre-
chung zur Mittagszeit. Auf die Frage der Entgeltung unserer Mitwirkung an diesem Fernsehfilm erwiderte Herr Troeller: daß er dafür nichts zahle, denn er stelle unsere Richtung einmal einem größeren Publikum vor und dies wäre also eine Werbung für uns …
Zur Beurteilung des gesamten Sachverhalts muß noch erwähnt werden, dass Frau Mabry am Samstag nach der 8stündigen Straßenaktion und dem langen Stehen in der großen Kälte erkrankte und die Nacht einen Notarzt rufen mußte …
Frau Mabry informierte Herrn Troeller sofort darüber, entschloß sich aber trotz Warnung des Arztes die Dreharbeiten nicht zu gefährden, denn gerade in dem Interview mit ihr sollten die politischen Inhalte und Ziele unseres Feminismus vorgestellt werden: die Gründe für die Not-
wendigkeit einer eigenen Partei, einer feministischen Gesellschaftsanalyse usw. Das Verspre-
chen Herrn Troellers, unsere Organisation und Zeitschrift in der Sendung einem größeren Kreis bekanntzumachen, gab für Hannelore Mabry den Ausschlag, nicht nur unbezahlt, sondern auch krank die Arbeit fortzusetzen …
Wir alle hatten nämlich am ersten Drehtag und einer anschließenden abendlichen Diskussion den Eindruck gewonnen, daß Herr Troeller nicht – wie überwiegend üblich – die Frauenbewegung einseitig und unseriös, sondern ausgewogen und differenziert darstellen würde.
Der Eindruck trog. Am 9. Mai mußten wir feststellen, daß hier keine Ausbeutung „in eigener Sache“, sondern in fremder Sache erfolgt war. Wir fühlen uns getäuscht und mißbraucht. Von uns blieb nur Filmkomparserie, Kulisse übrig. Wir sind die einzige Organisation in diesem Film, die ihres Namens beraubt wurde. Hannelore Mabry, Autorin des Buches „Unkraut ins Parlament“ (Die Bedeutung weiblicher parlamentarischer Arbeit für die Emanzipation der Frau), seit 1970 für einen politischen Feminismus in Theorie und Praxis kämpfend, erscheint bei der Straßenszene einmal kurz im Bild. Niemand erfährt, daß sie die erste Zeitschrift der Neuen Frauenbewegung der Bun-
desrepublik herausgab, 1977 die „Feministische Mehrwerttheorie“ veröffentlichte und für den „Förderkeis zum Aufbau der Feministischen Partei“ die Zeitschrift DER FEMINIST herausgibt.
Der Zuschauer sieht eine lebhaft mitdiskutierende Frau – Passantin oder ein Gruppenmitglied? Aber die Gruppe bleibt ja auch namenlos. Sie wird nur als Anreißer für die Sendung gebraucht, mißbraucht, die einem Feminismus propagiert, mit dem wir so gut wie nichts inhaltlich und strategisch gemeinsam haben …
Wir fühlen uns arglistig getäuscht und unter falschen Versprechungen „eingekauft“. Wir fordern deshalb vom Sender Bremen entweder
a.) die Honorierung unserer Mitwirkung an der Sendung, und zwar 1000 ,- für das Interview mit Hannelore Mabry und DM 500,- für die Redaktionsgruppe und Nutzung der Räume und Infor-
mationen etc. oder
b.) die Auswertung und Ausstrahlung des in 2 Drehtagen bei uns aufgenommenen Filmmaterials in einer Einzelsendung oder auch im Rahmen der Serie FRAUEN DER WELT innerhalb der nächsten 6 Monate …
Eine Kopie dieses Schreibens geht an Herrn Troeller und an den Rundfunkrat des Senders Bre-
men.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Solveig Senft, Ingrid Braun (Vorstand des Förderkreises zum Aufbau der Feministischen Partei)
gez. Hannelore Mabry
(Geschäftsführerin)
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Ein besonderes Schreiben schickten wir außerdem an die einzige Frau in diesem Rundfunkrat: Hannelore Spies. Sie hielt uns – ebenso wie ihre männlichen Kollegen – keiner Antwort für wür-
dig. Der Intendant selbst ließ uns durch seinen Programmdirektor, Dr. H.W. Conrad, mitteilen „dass die Rechte sämtlicher Urheber und Mitwirkenden an dem Film sowie die Ansprüche der in ihrem Bereich an der Herstellung Beteiligten von ihm (Herr Troeller) abgegolten sind, und daß er befugt ist, über Rechte zugunsten Radio Bremen zu verfügen“ …
Mit anderen Worten: Honorar gibt es nur bei Troeller, Stellungnahme überflüssig. Nach Ansicht des dju-Vorsitzenden Eckard Spoo hat sich der Sender die Sache damit sehr leicht gemacht.
Die Reaktion Troellers auf einen entsprechenden Brief war ein Anruf bei unserem Anwalt Siegfried v. La Chevallerie: „Ihre Forderung ist wohl ein Witz!“ Daraufhin reichten wir am 25. November 82 Klage beim Amtsgericht München auf Zahlung des Honorars von 1.500 Mark ein. Sie wurde am 11. Februar 83 abgewiesen. Urteilsbegründung „… kann dem klägerischen Vortrag entnommen wer-
den, daß die feministische Partei nicht wissenschaftliche, sondern politisch-ideelle Ziele verfolgt. Bei dieser Sachlage ist nun wiederum nicht ersichtlich, wie durch den behaupteten Ausfall des vom Fernsehfilm des Beklagten erwartete Public Relations Effekt ein vermögensrelevanter Nachteil ent-
standen sein sollte …“
Wir überlassen es den geneigten Leserinnen und Lesern, sich ihr eigenes Urteil über Stefan Troel-
ler, den Sender Bremen, die Rundfunkrätin Spies und Amtsrichter Ege zu bilden.
H. Mabry, München
HFF. Hörfunk, Fernsehen, Film. Zeitschrift der Rundfunk-Fernseh-Film-Union (RFFU) in der Gewerkschaft Kunst (GK) im DGB 6 vom Juni 1983, 4 f.