Flusslandschaft 1993

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Allgemeines

Journalisten helfen Journalisten (JhJ) wird auf Initiative eines kleinen Kreises von überwiegend Münchener Journalistinnen und Journalisten unmittelbar nach der Ermordung des SZ-Journa-
listen Egon Scotland im Verlauf einer Reportagereise durch das kroatische Kriegsgebiet ins Leben gerufen. JhJ ist ein unabhängiger und überparteilicher Verein. Carl-Wilhelm Macke: »„Jeder Pub-
lizist“, hat Carl von Ossietzky einmal geschrieben, „der in bewegter Zeit seinem Gewissen folgt, weiß, daß er gefährdet lebt.“ Dieses galt zu Zeiten des mutigen Herausgebers der ‚Weltbühne‘ und gilt genauso in der Gegenwart der rund um den Globus aufflackernden großen und kleinen Kriege. Wer heute als Journalist zum Beispiel in Kurdistan, Kambodscha, Somalia, der Türkei, in den ehe-
maligen sowjetischen Republiken und ganz besonders auch auf dem Balkan recherchiert, muß hier stets mit allem rechnen. Allein in den Regionen des ehemaligen Jugoslawien sind in den letzten Jahren mindestens 48 Journalisten während der Ausübung ihrer Arbeit getötet worden. Nur wenn sich unter den Opfern auch ein Korrespondent deutscher Medien befindet, merkt die Öffentlichkeit hierzulande kurz auf. Das schnelle Vergessen tötet alle Opfer eines Krieges ein zweites Mal. Dies gilt auch für Journalisten, den professionellen Chronisten der Leiden in den ‚Heiligen Schlachten’ und den erbärmlich profanen Gemetzeln. – Gegen dieses Vergessen und vor allem für eine schnel-
le, solidarische Hilfe zugunsten in Not geratener Kolleginnen und Kollegen oder ihrer Angehöri-
gen, hat sich jetzt in München ein eigener Verein gegründet. „Journalisten helfen Journalisten“ hat sich zum Ziel gesetzt, Journalistinnen und Journalisten in aller Welt zu unterstützen, die aus poli-
tischen, religiösen, rassischen Gründen oder wegen ihres Geschlechtes verfolgt werden. Darüber-
hinaus soll den Familien verfolgter oder getöteter Journalisten in allen nur möglichen Formen ge-
holfen werden. Gegenwärtig werden mit dem bereits vorhandenen Geld vier kroatische Familien und die Angehörigen eines getöteten bosnischen Journalisten unterstützt. Nichts deutet – leider – darauf hin, daß das ‚Spendenkonto Journalisten‘, Nr. 31900506 (BLZ 700202 70) c/o Roman Arens bei der ‚Bayerischen Vereinsbank‘ so schnell wieder aufgelöst werden kann. Der Münchner Verein „Journalisten helfen Journalisten“ ist deshalb auf ständige solidarische Unterstützung von Angehörigen aller publizistischen Berufe – und nicht nur der – sehr angewiesen. Über Journali-
stinnen und Journalisten, die als Korrespondenten in den besonders leidgeprüften Krisenregionen arbeiten, kann das gesammelte Geld direkt an die bedürftigen Personen weitergeleitet werden.«1

Der Schwerpunkt der Arbeit von JhJ liegt in den Anfangsjahren vornehmlich in Bosnien, Kroatien, in Serbien und im Kosovo. 2011 hat sich der Einzugsbereich weltweit ausgeweitet. So unterstützte der Verein etwa Journalistinnen und Journalisten aus Tunesien, Haiti, Peru, Pakistan, Kasachstan, Usbekistan, Belarus, Zimbabwe, Ruanda und Syrien mit Hilfen zum Lebensunterhalt, Unterstüt-
zung bei medizinischer Behandlung, Kinder-Patenschaften, Beihilfen für die Wiederbeschaffung zerstörter Arbeitsmittel wie Computer, Schreibmaschinen, Fotoausrüstungen. Der Verein hilft zu-
dem bei der Publikation von Texten unterstützter Autoren in deutschsprachigen Medien.

„Civil Globalization“: Es besteht ein enges Netzwerk mit Journalistinnen und Journalisten aus vielen Ländern. An erster Stelle ist hier das globale Netzwerk Journalists in Distress zu nennen. Dem haben sich auch das amerikanische Committee to Protect Journalists (New York), die Re-
porters Sans Frontieres
(Paris/Berlin), das kanadische IFEX-Büro (International Freedom
of Expression Exchange
, Toronto), der britische Rory-Peck-Trust (entstanden nach dem ge-
waltsamen Tod des Kameramannes Rory Peck 1993 in Moskau), Front Line aus Irland, „Article
19“
(London), der internationale PEN, und Journalisten helfen Journalisten angeschlossen.

Koordiniert wird dieses Netz von der kanadischen Organisation Canadian Journalists for Free Expression (CJFE), die wiederum auch das zwei Mal wöchentlich erscheinende IFEX-Comunique herausgibt. Dieser Newsletter (www.ifex.org) berichtet kontinuierlich und mit detaillierter Ver-
linkung zu den jeweiligen Quellen über Verletzungen der Pressefreiheit und Behinderungen von Journalisten vornehmlich in den weltweiten Kriegsgebieten und Krisengebieten.

JhJ hat außerdem Kontakte zu amnesty international, der Hamburger Stiftung für politisch Ver-
folgte
sowie dem Medienbeauftragten der OSZE (Wien). Finanziert wird die ehrenamtliche Arbeit des Vereins ausschließlich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen.2

Fragen über Fragen: Woher kommt die Schere zwischen sinkenden Rohstoffpreisen und steigen-
den Weltmarktpreisen? Was treibt die Länder des Südens immer weiter in die Rolle der Verlierer? Handelt es sich dabei um das freie Spiel der Marktkräfte?3

JUGOSLAWIEN

„Gegen die großdeutsche Einmischung am Balkan“ demonstrieren Anfang des Jahres 600 bis 800 Menschen. Aufgerufen dazu haben der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD, das Serbi-
sche Kulturforum
, die DKP, die PDS und weitere linke Gruppen. Unter den Rednern befindet sich auch Gottfried Niemetz vom Bund gegen Anpassung, einer recht obskuren Gruppe. Schlimmer noch: Uniformierte Tschetniks treten auf. Die Organisatoren der Demonstration erscheinen mehr als naiv, sie müssten eine klare Abgrenzung zu den serbischen Nationalisten ziehen.

… Juni, „Nachbar Bosnien — Fotografien und Presseberichte zur Tragödie Bosnien-Herzegowina“, Ausstellung in der Seidlvilla in Schwabing …

AFGHANISTAN

Der Abzug der Roten Armee bringt dem Land keinen Frieden. Die Waffenstillstände werden nicht eingehalten.

TÜRKEI und KURDISTAN

Seit ihrer Grümdung am 31. Mai 1992 werden bis Ende März 19 Journalisten und Mitarbeiter der prokurdischen Zeitung Ozgür Gündem ermordet.

Europaweit werden im Rahmen der „Sommeroffensive“ der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) am 24. Juni diplomatische Vertretungen der Türkei und andere türkische Einrichtungen angegriffen. In München besetzen dreizehn Kurden das türkische Konsulat in der Menzinger Straße 3, um gegen die Politik der Türkei zu protestieren.

Am 26. November verbietet Innenminister Kanther die Kurdische Arbeiterpartei Partyra Karke-
rên Kurdistan
(PKK) und 35 weitere kurdische Vereinigungen in Deutschland, die er als Tarnor-
ganisationen der PKK ansieht. Mit dem Verbot der PKK und des Vereins Komala Kurdistan e.V. häufen sich Proteste der Kurden. Jetzt werden auch Demonstrationen verboten. Es kommt zu Pro-
zessen. Im selben Monat durchsucht ein großes Polizeiaufgebot die Räume von »Komala« in der Westendstraße 49. Auf der Suche nach PKK-Material wird alles beschlagnahmt.

Am 4. Dezember findet eine Demonstration gegen das PKK-Verbot statt.

ÄTHIOPIEN und ERITREA

Am 24. Mai feiert nach jahrzehntelangem Befreiungskrieg Eritrea seine Unabhängigkeit von Äthiopien. In der Münchner Linken gab es immer heftige Auseinandersetzungen darüber, zu wem man halten müsse.

ISRAEL, LIBANON und PALÄSTINA

Im Juli startet die israelische Armee eine Offensive in den Süden des Libanon. Ein Strom von Flüchtlingen drängt nach Beirut.

Das »Oslo-Abkommen«, offiziell »Gaza-Jericho-Abkommen«, legt die Voraussetzungen für Ver-
handlungen über eine palästinensische Interim-Selbstverwaltung in Gaza und Jericho fest. Das Kräfteverhältnis bleibt aber asymmetrisch: Wenn Palästinenser einen israelischen Vorschlag ablehnen, ist das der israelischen Seite egal. Lehnt Israel einen palästinensischen Vorschlag ab, verhindert dies jedes wie auch immer geartete Arrangement.

NORDAMERIKA

Die Aktionsgruppe Indianer und Menschenrechte (AGIM) eröffnet ihr Büro in der Frohscham-
merstraße in Milbertshofen.4

(zuletzt geändert am 17.11.2024)


1 links. Sozialistische Zeitung 276 vom Mai 1993, 8.

2 Siehe www.journalistenhelfen.org.

3 Siehe Mohssen Massarrat/ Birgit Sommer/ György Széll/ Hans-Joachim Wenzel (Hg.), Die Dritte Welt und wir. Bilanz und Perspektiven für Wissenschaft und Praxis, Freiburg im Breisgau 1993.

4 Siehe www.agim-online.de/.