Flusslandschaft 1994
Frauen
„Zwischenruf – Etwas ist anders als sonst. Internationaler Frauentag ist jedes Jahr am 8. März. Dieses Jahr aber ist FrauenProtesttag. Die DGB-Frauen haben das Wort ‚Protest’ groß geschrieben und fett gedruckt. Andere, nicht-gewerkschaftliche Initiativen haben gar zum FrauenStreikTag aufgerufen. Rote Nelken und lila Pausen: Das ist den Frauen in diesem Jahr zu wenig. Sie wollen den Sechs-Stundentag proben und Überstunden verweigern, Betriebsversammlungen einfordern und auf Bildschirmpausen bestehen, sie wollen gemeinsam Arbeits- und Sozialämter besuchen und Rathäuser blockieren. Die Frauen suchen nach radikaleren Formen des Protestes, und das mit Recht. In neuen Untersuchungen und Publikationen wird von einem ,Rollback’ für die Interessen von Frauen gesprochen, vor einer Rückwärts-Bewegung also. In Zeiten der Krise zeigt sich, dass die Gleichstellung für viele lediglich eine Schönwetterveranstaltung ist, die beim ersten Sturm be-
reits abgesagt wird. Das ist in den Gewerkschaften nicht anders als in den Betrieben, in der Politik nicht besser als in der Wirtschaft. Die Schwierigkeiten, das Erreichte zu bewahren, wachsen, die Möglichkeiten, es auszubauen, schnurren zusammen, kurz: Die Spielräume werden enger. Gerade in einer solchen Lage ist offensives Verhalten angebracht. Nicht, um mit einem trotzigen ‚jetzt ge-
rade’ auf den Lippen die Realität zu ignorieren. Sondern, um sie auch weiterhin beeinflussen zu können. Aktionen, wie die DGB-Frauen sie vorschlagen, kennen wir aus den späten sechziger Jah-
ren. Bewusste Regelverletzung nannte man das damals. Und hinterher war tatsächlich vieles an-
ders als sonst. Regine Herrmann“1 — Am 8. März findet der bundesweite FrauenStreikTag auch auf dem Münchner Marienplatz statt.
In den Gewerkschaften überdauern frauenfeindliche Strukturen. In Betriebsräten und Tarifkom-
missionen sieht es ähnlich düster aus.2
1 Deutsche Post. Zeitschrift der Deutschen Postgewerkschaft 2 vom Februar 1994, 23.
2 Siehe „Frauen in den Betriebsräten“ von Sabine Langer.