Materialien 1977
Prost Neujahr, Herr Preißinger!
Die Gemeinnützige Wohnstätten- und Siedlungsgesellschaft m.b.H. (GWG) hat den Mietern in der Konrad-Dreherstraße 25 bis 35 und in der Alpenveilchenstraße 32 bis 38 auf ihre Art „Frohe Weih-
nachten und ein glückliches Neues Jahr“ gewünscht: vier Tage vor Weihnachten erhielten die etwa 50 Familien ein von Herrn Preißinger und Herrn Brandl unterzeichnetes Schreiben, in welchem ihnen mitgeteilt wurde, daß ihre Häuser in diesem Sommer abgerissen werden sollen. Die Mieter in den genannten Häusern traf diese Nachricht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, denn sie hatten einer Mitteilung der GWG vertraut, in der es vor Monaten hieß, daß zwar die Häuser in der Senfte-
nauerstraße 55 bis 65 abgerissen, ihre Häuser aber saniert werden sollen. Die Folge ist also, daß die Häuser in der Senftenauerstraße jetzt leerstehen und zum Teil bereits durch Herausreißen von Lei-
tungen unbewohnbar gemacht wurden, während in die Konrad-Dreherstraße vor einigen Monaten noch eine Familie mit hohem Kostenaufwand eingezogen ist.
Hier werden Mieter verschaukelt
Die GWG gibt als Grund für die geänderten Abrißplanungen an, daß die Oberste Baubehörde nicht die Häuser an der Senftenauerstraße, sondern die an der Konrad-Dreher- und Alpenveilchenstraße zum Abriß freigegeben hat. Die Leute aber, die hier wohnen, sind froh einigermaßen preiswert zu wohnen, denn in Häusern mit Lift, Zentralheizung und gekacheltem Bad wäre die Miete doppelt so hoch! Vieles hätten die Menschen hier noch zu sagen, deren vertraute Wohnungen jetzt abgerissen werden sollen, aber wer hört ihre Argumente, wer richtet sich danach? Warum ist der Abriß so pressant? Wir Kommunisten haben es uns schon lange abgewöhnt, den Worten der Mächtigen zu vertrauen, wenn sie sagen, sie wären doch nur für die kleinen Leute da und täten alles ganz aus Nächstenliebe. Profit ist der Maßstab in diesem Lande, um den sich alles dreht!
Kaum Geld für Miete
Nach Angaben des Bonner Städtebauinstitutes stieg die Zahl der Bürger, die einen Mietzuschuß in Anspruch nehmen mußten, von 980.000 im Jahre 1970 auf 1,6 Millionen Bürger im Jahre 1976. Mehr als 85 Prozent der Wohngeldempfänger bezogen Renten und Sozialhilfe oder befanden sich in der Berufsausbildung.
Der scharfe Radi. Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei – DKP für Laim, Hadern und Westend vom Februar 78, 7, Sammlung Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung