Flusslandschaft 1995
Psychiatrie
„Selig sind die, die glücklich sind, weshalb sich auch Wilhelm Seibold ‚Heinrich, der Glückliche‘ nennt. Glückselig ist der stadtbekannte Querulant, weil der liebe Gott ihm nachts einflüstert, wie tags darauf die ‚Show‘ ablaufen soll. Vor zwei Jahren wetterte das ,höchste Gericht’ gegen ‚Stoiber, Gauweiler & Co.‘, und Willy sah sich gezwungen, als Putto auf der Mariensäule am Marienplatz zu posieren und zu schimpfen. Das brachte ihm angeblich einen sechswöchigen Aufenthalt in Haar ein, setzte ihn aber nur zwischenzeitlich außer Gefecht. Vor kurzem beendeten die Saaldiener im Rathaus einen seiner furiosen Auftritte auf der Zuschauertribüne. In der Nacht von Sonntag auf Montag dann hat Willy dann die Eingebung bekommen, den Marienplatz in einen hehren ,Ort des Friedens’, oder, anders ausgedrückt, in ein Blumenmeer der Glückseligkeit zu verwandeln. Gesagt, getan. Gestern kaufte er dem Blumentandler vom Isartor seinen Standlbesitz für schlappe 14.000 Mark ab und bescherte den Münchnern die ,Glückseligkeit auf Erden’. Während sich Mann, Frau und Kind um Rosen, Tulpen und Narzissen rissen, verkündete er seine Botschaft: ,Am 8. Mai will der Herrgott Frieden schließen. Alle Weltregierungen sind aufgefordert, hierher zu kommen, um abzudanken.‘ Weil er der einzige sei, der den Menschen etwas Gutes tue, sei er befähigt, die Welt-
geschicke zu leiten, mit dem ‚Fricke und dem Kronawitter’. Das kann ja heiter werden.“1 Daß ma imma d foischn Leid in d Psychiatrie neisperrt, gei, Herr Nachbar! – Wos Recht ham, hams Recht, Herr Doktor.
1 Süddeutsche Zeitung 95 vom 25. April 1995, 37.