Materialien 1975
Auf gehts, sog i – D’ Hiasl-Gang werd baut!
Hopp – zwei Schritt noch – geschafft, wenigstens bis zum Mittelstreifen! Der rote Porsche hat den Hiasl nicht erwischen können, weil er – gut trainiert – gerade noch vor dem knochenbruch-sympa-
thischen Kotflügel den entscheidenden Satz auf den Fürstenriederstraßen-Mittelstreifen tat. Auch die zweite Etappe, hinüber zu Kepa, zum Einkauf einer wohlverdienten Brotzeitration, glückte dem Hiasl.
Aber der Hiasl war kein HIASL, es sei denn einer wie der bayrische Hiasl, von dem die Volkslieder als Freiheitskämpfer singen. Also dachte er. wie der berühmt gewordene Alte nicht nur an seinen Bauch, sondern auch an die weniger Leichtbeinigen, die Alten, die Frauen mit Kindern, die auch den Blechstrom an der Laimer Rennstrecke heil überqueren mußten, wenn sie zu Tengelmann oder Kepa wollten. Und an die dachte er auch, die den Nutzen von solchen Spurts zogen – in Mark und Pfennig, abgerechnet von den abends müdegstandenen Verkäuferinnen. Im Oktober 1973 war das.
Im November fanden sich dann die Bürger vom 25 Stadtbezirk, München-Laim zur längst überfäl-
ligen Bürgerversammlung zusammen. Die Stadtoberen ließen sich durch den Bürgermeister Hey-
denreich hinlänglich vertreten. Hiasl vertrat die Nachbarn von Laim, 53.813 Nachbarn, von denen ungefähr 350 sogar in den engen Gemeindesaal gekommen waren. Einen Antrag und 500 Unter-
schriften für diesen Antrag brachte der Hiasl in die Versanmlung mit, zuvor war er auch das bayri-
sche Kommunalabgabengesetz durchgegangen, damit er alles richtig machen konnte. Der Bürger-
meister staunte nicht schlecht, als diese Nachbarn nicht seinem Rat folgten, nicht seinem eigenen, beschnittenen Vorschlag zum Bau einer Unterführung zustimmten, sondern dem Hiasl recht ga-
ben, der meinte, Tengelmann und die Kepa müßten schon auch einen Zuschuß rausrücken für diesen Bau.
Nach dieser Bürgerversammlung hat es dann gedauert – und. noch einmal gedauert und danach immer noch gedauert mit etwas Handfestem. Damit die Bürgerwünsche aus Laim nicht vielleicht übersehen werden könnten, irrtümIich vergessen oder sowas, hat der Hiasl seine Partei einen Brief schreiben lassen, und noch einen und noch einen dritten, bis der Stadtrat die Unterführung auf Platz eins der Dringlichkeitsliste I setzte, im Juli 1974.
Bis zum Dezember hat es noch gedauert, dann wußte man auch, wann der mühsam beschlossene Plan für die Straßenunterführung verwirklicht werden würde: Baubeginn in der ersten Hälfte des Jahres 1975.
Und jetzt geht’s los!
Es ist eine lange Zeit vergangen, seit der Hiasl seine gute Idee hatte – es braucht immer eine lange Zeit, bis sich eine gute ldee durchsetzen kann. Aber deswegen sollte doch nicht vergessen werden, wer sie gehabt hat, wer an die geraden Glieder der anderen – und daß sie es bleiben – seine Ge-
danken verschwendet hat (weil es halt leider noch so selten vorkommt). Deshalb muß die Unter-
führung einen Namen bekommen:
HIASL-GANG – wie wär’s?
Verantwortl.: W. Hildebrandt, Reisingerstr. 5 (E.i.S.)
Nachlaß Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung