Flusslandschaft 1995

Lebensart

Der bayrische Verwaltungsgerichtshof hat zum Schutz der Anwohner für die Waldwirtschaft bei Pullach die Sperrstunde auf 21.30 Uhr angeordnet. Da organisieren Brauereien, Lokalpolitiker und Medien den „Volkszorn“. Am 12. Mai demonstrieren etwa 25.000 Menschen für „den Erhalt der Biergartenkultur“. Dabei sind Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, OB Ude mit Gattin, Finanzminister Theo Waigel. Ministerpräsident Edmund Stoiber hält triumphierend ein großes Plakat in die Höhe. Auf diesem steht in artifizieller Kunstschrift: „Erste bayerische Biergartenrevo-
lution. Das bayerische Volk fordert Gesetzesänderungen zur Rettung von Tradition und Biergar-
tenkultur. Verein zur Förderung der Münchner Biergartenkultur e.V.“1 Nachdenkliche Zeitgenos-
sen vermuten, dass diese 25.000 Menschen mit Sicherheit nicht für den Schutz der Umwelt, men-
schenwürdige Behandlung von Asylsuchenden oder für menschenwürdige Löhne und Arbeitsbe-
dingungen auf die Straße gehen. In der darauf folgenden Woche erlässt die bayrische Staatsregie-
rung die „Bayrische Biergartenverordnung“, die die Sperrstunde auf 23 Uhr festlegt.


1 Fotos: Stadtarchiv Standort ZB-Ereignisfotografie-Politik-Demonstrationen 6250, 6252; siehe „Wenn’s dem bösen Nachbarn nicht gefällt“.