Materialien 1981
Ende der Spielzeit
Ausschnitt aus dem Programm von Dieter Hildebrandt und Werner Schneyder
DH: Herr von Schneyder, Sie waren einmal Gast in einer unserer Kabarett-Veranstaltungen, und da haben Sie über einen Satz gelacht, der in etwa das ausdrückte: Es können nur die Waffen ren-
tabel sein, die während einer Schlacht oder einem Krieg völlig vernichtet werden können.
WS: So, habe ich gelacht? So ernst sollten Sie das nicht nehmen. Wissen Sie, Pazifisten haben für mich immer etwas rührendes.
DH: Sie haben also aus der Überlegenheit lhres besseren Wissens herausgelacht. Weil Sie wußten, so ist es nicht.
WS: ln meiner jahrelangen Erfahrung als Militärexperte eines weltweiten Blattes …
DH: So ist es also nicht?
WS: So ist es.
DH: Ja, wie nun?
WS: Meine wehrwissenschaftlichen Essays, die sich auch im Ausland einer gewissen Geltung erfreuen … erst kürzlich hat mir die New York Times ein Angebot gemacht, allwöchentlich einen Beitrag zu liefern. Konnte ich natürlich nicht annehmen aufgrund meiner zahlreichen Verpflich-
tungen. Sie werden sicherlich mein Buch gelesen haben, das in einer nicht unbeträchtlichen Auf-
lage erschienen ist … ja, Kabarett, ich gehe ganz gerne hin.
DH: Dürfte ich den Gedanken noch einmal aufnehmen? Kann man also sagen, daß ein gesunkenes Kriegsschiff, im übertragenen Sinne, eine Erfolgsmeldung für eine Werft darstellt?
WS: Mein lieber, junger Freund, diese Frage will ich lhnen klipp und klar beantworten.
DH: Oh, wie schön.
WS: lch schreibe gerade für junge Menschen besonders gern. Es mögen wohl an die hundert Analysen unserer Rüstungsrentabilität gewesen sein in den letzten Jahren …
DH: Sie hatten gerade versprochen: klipp und klar. Können wir uns denn nicht an die Reihenfolge halten? Erst Klipp, dann klar. Klar?
WS: Es ist wohl reichlich naiv, anzunehmen, daß wir Schlachten oder gar ganze Kriege brauchen, um unsere Rüstungsrentabilität zu gewährleisten. Unsere Soldaten sorgen selbst dafür, daß unsere Waffensysteme alle zwei Jahre ausgewechselt werden müssen.
DH: So eine Art innerarmeeliche Abrüstung?
WS: Ja. Die Dienstpläne sind so ausgelegt, daß ein allgemeiner Frust entsteht, was sich natürlich auf die Pflege der Geräte auswirkt.
DH: lst das nicht eigentlich furchtbar, nachdem der Rüstungsetat so drastisch gekürzt wurde?
WS: Das betrifft doch nur die mehr nebensächlichen Dinge. Den neuesten Panzer werden wir immer haben. Nicht unbedingt immer das Benzin, um ihn zu bewegen.
DH: lch verstehe. Der Panzer rastet – wer rastet, der rostet.
WS: Und diesen Schrott verkaufen wir dann in Länder, die schon mit Spannung darauf warten, daß wir wieder was wegwerfen. Selbstverständlich nie in Spannungsgebiete.
DH: Man kann also feststellen, daß die Senkung des Etats in Wirklichkeit eine Erhöhung der Ren-
tabilität bedeutet.
WS: lch merke mit Freude, daß Sie offenbar meine Ausführungen in den Monatsheften des Kauf-
mann-Casinos …
DH: Nein. Kann man nicht sagen, dass das eine Schädigung des Steuerzahlers ist?
WS: lch durfte kürzlich in einem vertraulichen Gespräch mit dem Bundeskanzler ausführen: So-
lange für Bölkow, Messerschmidt, Mannesmann, Thyssen und die Howaldtwerft die Produktion von Wegwerfwaffen gewährleistet ist, ist das Geld des Steuerzahlers in besten Händen.
DH: Wenn die Volksvertreter eines Tages aber darauf bestehen, dass man Milliarden einsparen könnte, dann …
WS: … haben wir echte Kriegsgefahr.
DH: Wie bitte?
WS: Ja, dann müßte die Rüstungsindustrie alle Hebel in Bewegung setzen, um jene Situation zu schaffen, die ihre Absatzschwierigkeiten mit einem Schlage beseitigt.
DH: Mit einem Atom-Schlag.
WS: Ruck-Zuck. Dafür brauchte man früher Jahre.
DH: Wieso werden dann überhaupt noch Kanonen und Panzer gebaut?
WS: Um sie alle zwei Jahre auszuwechseln.
DH: Das erhält den Frieden.
WS: Natürlich.
DH: Und gefährdet damit den Krieg.
WS: Ein origineller Gedanke.
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