Flusslandschaft 1996

Gedenken

Seit 1996 führt der Bezirksausschuss Maxvorstadt überwiegend mit Kooperationspartnern jeweils zum 27. Januar Gedenkveranstaltungen durch. 1996 erinnert er an Schicksale jüdischer Mitbürger in der Maxvorstadt (Alfred und Hedwig Pringsheim, Richard Willstätter, Heinrich Rheinstrom, Karl und Anna Neumeyer).1

Am Jahrestag der Reichspogromnacht, am 9. November 1995, brachte Wolfram Kastner im Rasen des Münchner Königplatzes einen Brandfleck als Zeichen der Erinnerung an die Bücherverbrennung und ein Hinweisschild in deutsch und englisch an. Die Stadt München wurde gebeten, „kein Gras mehr über die Geschichte wachsen zu lassen“. Oberbürgermeister Ude war allerdings der Ansicht, „die historische Situation wäre nicht mehr gegeben“, es handele sich nicht um das Gras von 1933. Am 22. Dezember 1995 schenkten Wolfram Kastner und der Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller Bayern Robert Stauffer den MüncherInnen das Hinweisschild und überreichten dem Oberbürgermeister eine Schenkungsurkunde. Am 28. Februar 1996 wird das Schild von einem städtischen Arbeitstrupp abgesägt und auf Verfügung der Stadtspitze in das Stadtarchiv in eine Kammer für dreidimensionale Geschenke eingelagert.

Im Friedhof am Perlacher Forst befindet sich vor einer Hecke ein Rasenstreifen, an dem nichts darauf hindeutet, dass hier 1954 ein Sammelgrab für 95 Opfer der Nazijustiz, unter ihnen Hans Leipelt, Hans Hartwimmer und Johann Reisinger, angelegt wurde. Zum 75. Geburtstag von Hans Leipelt erreicht am 18. Juli 1996 dessen Freundin Marie-Luise Schultze-Jahn, dass hier ein Stein errichtet wird, der die Namen aller hier Bestatteten trägt.2


Resi Huber und Friedbert Mühldorfer bei der Mahnwache zum 16. Jahrestag des Oktoberfest-Attentats am 26. September am Haupteingang zur Wiesn, Foto: Ghahraman in der antifa-rundschau 28 vom Oktober/Dezember 1996.

Etwa 1.500 bis 2.000 Menschen demonstrieren am 3. Oktober gegen die Feiern zum „Tag der deutschen Einheit“. Die Schwabinger Friedensinitiative trägt ein Transparent mit der Aufschrift „Nie wieder Deutsches Reich“.

Am 17. November versammeln sich beim „Volkstrauertag“ im Münchner Hofgarten Reservisten und weitere Verbände. Die Jungen Nationaldemokraten entrollen bei dieser Veranstaltung, ohne dass Offizielle dagegen einschreiten, ein Transparent mit der Aufschrift „Unsere Väter waren keine Verbrecher – wir sind stolz auf sie!“ Etwa hundert Jugendliche demonstrieren dagegen. Die Polizei nimmt sechsundzwanzig Jugendliche fest, die gegen die Veranstaltung mit Pfiffen und Rufen protestieren, transportiert sie in die Ettstraße und behandelt sie erkennungsdienstlich.3


1 www.munchen.de/ba/03/ba_info/gedenktage.htm.

2 Vgl. dazu Irene Stuiber, Hingerichtet in München-Stadelheim – Opfer nationalsozialistischer Verfolgung auf dem Friedhof am Perlacher Forst, München 2004.

3 Siehe „Naziverbrechen relativiert und geläutert“.