Materialien 1970
Wahlversprechen – und nun?
Erinnern wir uns, wie war das damals, als auf unserer Betriebsversammlung im Herbst 69 der SPD-Abgeordnete Wenzel-Bredel zu uns gesprochen hat. Er versprach uns, wenn er gewählt würde, dann werde er sich einsetzen, um die Verkehrssituation in der Feldmochingerstrasse zu verbessern. Bis jetzt ist nichts geschehen, jeden Tag müssen zahlreiche Kollegen am eigenen Leib verspüren, was es heißt, in Richtung Feldmoching oder Hasenbergl zu wohnen! Es sind einfach katastrophale Zustände in der Feldmochingerstrasse! Durch die zwei Bahnüberführungen kommt es täglich zu einem Verkehrsstau. Das ist in der Frühe so und am Abend nach Arbeitsschluß. Wir fordern daher, daß sich der SPD-Abgeordnete Wenzel-Bredel nicht nur vor der Wahl mit Verspre-
chungen an uns wendet, sondern er soll uns auch jetzt einmal im Betrieb besuchen und darüber Rechenschaft ablegen, was er in dieser Sache unternommen hat. Wir empfehlen dem Betriebsrat, dass er den Bundestagsabgeordneten auch nach der Wahl zu unserer nächsten Betriebsversamm-
lung einlädt. Wir hätten dann nach einige Fragen!
WENN DEIN STARKER ARM ES WILL
In der Woche vor Ostern war es kalt, kalt war auch das Wasser für uns Kollegen, als wir uns nach der Arbeitszeit waschen wollten. Ohne daß von der Betriebsleitung ein Wort verloren wurde, ohne einen Anschlag am schwarzen Brett wurde uns zugemutet, kalt zu duschen.
Am Gründonnerstag war das Maß voll. Eine viertel Stunde Arbeitsniederlegung genügte, daß die Zusicherung gegeben wurde, nach den Feiertagen gibt es wieder Warmwasser.
Zweifellos trug diese konsequente Haltung auch mit dazu bei, daß die Betriebsleitung sich bereit erklärte, der Forderung, den Schichtwechsel auf 14.00 Uhr zu verändern, nachzugeben und für drei Monate als Probe einzuführen. Hier hat sich wieder einmal gezeigt, auch 1970 stimmt die Arbeiter-
losung:
„WENN DEIN STARKER ARM ES WILL!“
Die Unternehmer können nicht tun was sie wollen. Die 15 Minuten Arbeitsniederlegung halfen auch dem Betriebsrat in seiner Verhandlungsposition. Die Entschuldigung von Direktor Illberg ist o.k. Die bezahlte Streikzeit auch,
Weg mit der Stempeluhr!
In der letzten Arbeitsstunde des alten Jahres wurden in einigen Abteilungen die Stempeluhren verlegt. Viele Kollegen protestierten damals laut und heftig gegen diesen Schritt der Betriebslei-
tung. Sie schworen die Stempeluhren in Zukunft nicht mehr zu benützen. Aber der Zeitpunkt der Uhrenverlegung war von der Betriebsleitung günstig gewählt und mit einkalkuliert wurde, daß in dem folgenden langen Weihnachtsurlaub die Arbeiter bei Weihnachtspunsch und Sylvesterbowle all den Protest vergessen werden. Trotzdem hielten sich mehrere Kollegen an ihre angekündigte Absicht und stempelten aus Protest nicht mehr. Die Kollegen wurden sofort als ewige Querulanten bezeichnet und dementsprechend angeschnauzt. Herr Direktor Illberg sprach sogar (in völliger Unkenntnis der Rechtslage – da die Anwesenheit ja durch die Akkordkarte belegt war) von einer Nichtbezahlung des betreffenden Tages. Wir von der DKP-Betriebsgruppe sind nach wie vor der Meinung, in einen modernen Betrieb paßt einfach keine Stempeluhr mehr.
Die Südbremse will mit ihrer EDV-Anlage etwas einmaliges in Europa aufbauen, bei Einführung der Eingabestation wurden die Arbeiter in einer Belehrung ersucht, an diesem System mitzuar-
beiten, um diese einmalige Anlage zu verwirklichen. Auf der einen Seite der moderne technische Fortschritt, auf der anderen Methoden aus Opas Zeiten. Obwohl die betrieblichen Über- und Un-
terordnungsverhältnisse längst nicht mehr dem Stand des technischen Fortschritts entsprechen, werden die Arbeiter in der alten Abhängigkeit gehalten, wird ihnen die Chance an der gerechten Mitwirkung und Mitbestimmung bei der Gestaltung des betrieblichen Arbeitsablaufes verweigert.
Bei der ganzen Aktion wurde den Arbeitern wieder bewiesen, daß sie innerbetrieblich zum letzten Glied in der Kette und gesellschaftlich zur unteren Schicht zählen. Einigen Herren von der Direk-
tion und Betriebsleitung wird der Artikel gewiß nicht in den Kram passen, denn wenn wir Arbeiter die Möglichkeit haben, zu beweisen, daß wir Verantwortungsgefühl auch gegenüber dem Betrieb besitzen – und das beweisen wir ja täglich im Umgang mit wertvollen Maschinen und Einrichtun-
gen – das wird das Argument, es geht nicht ohne Stempeluhr, bestimmt nicht mehr stechen. Letzt-
lich werden doch alle Werte des Werkes von Arbeitern und Angestellten geschaffen.
Bremsreport. Zeitung der DKP-Betriebsgruppe für die Südbremse, April 1970, 4 f., Nachlass Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung