Flusslandschaft 1997

StudentInnen

Am 19. November beschließen die Münchner Philosophiestudentinnen und -studenten den Streik. „… Bundesweit sind bereits knapp 100 Unis im Streik. Was in Bremen und Hessen begonnen hatte, ist dabei, sich über ganz Deutschland auszubreiten. Am 2. Dezember ist es dann für die ganze LMU soweit: auf der Studentenvollversammlung (SVV) im vollbesetzten Audimax wird der Vollstreik beschlossen. Anschließend findet ein Demonstrationszug vom TU-Innenhof zum Geschwister-Scholl-Platz statt, an dem über 20.000 Studenten aus ganz Bayern teilnehmen. Es gibt vereinzelte Handgreiflichkeiten mit uneinsichtigen Taxifahrern. Bei der Schlusskundgebung vor der LMU müssen die frierenden Demonstranten feststellen, dass einigen Kommilitonen der Fachbereiche BWL und Jura sowie den meisten Seniorenstudenten irgendwie der Beschluss zum Streik entgangen ist. Sie können aufgeklärt werden, die meisten noch laufenden Veranstaltungen werden von den Profs vorzeitig beendet. – Auf der SVV an der TU am 3. Dezember wird kein Streik beschlossen. Trotzdem beteiligen sich die TUler an den jetzt anlaufenden Aktionen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt: Ob Theaterwissenschafts-Vorlesung vor der Oper, Politik-Seminare in der U-Bahn, Liebeslyrik auf dem Jakobsplatz oder Geschichtskurse in der Tram: Es bleibt nichts unversucht, um der Öffentlichkeit die Probleme der Studenten näher zu bringen.“ Am 4. Dezember findet eine Demonstration statt.1

Am 16. Dezember ist es wieder Zeit für eine größere Aktion, am Tag vorher hat auch die FH den Streik beschlossen: Am Isartor verteilen Studierende kostenlos eine „Buchstabensuppe“. Die Performance der Archäologen vor der Feldherrnhalle läuft unter dem Motto „Rettet die Archäologie – Grabt Gelder aus“. 15.000 Studentinnen und Studenten bilden eine Menschenkette von der LMU zum Kultusministerium. Die Münchner Taxler sind noch immer nicht überzeugt. Anschließend will man eigentlich noch zum Landtag, wo gerade eine Lesung des umstrittenen Hochschulgesetzes stattfindet. Vor der Bannmeile wird der Zug von der Polizei gestoppt. Am Rande der Demo kommt es zu Rangeleien zwischen behelmten Ordnungshütern und einer Gruppe von Studenten, ein Demonstrant wird verletzt und muss mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gefahren werden.2

Unter den 35.000 Studentinnen und Studenten, die am 18. Dezember in Bonn demonstrieren, befindet sich auch eine Münchner Abordnung. Über die Weihnachtsferien werden sämtliche Proteste vorerst ausgesetzt. „Münchens Taxifahrer können aufatmen …“3


1 Fotos: Stadtarchiv Standort ZB-Ereignisfotografie-Politik-Demonstrationen.

2 Fotos: Stadtarchiv Standort ZB-Ereignisfotografie-Politik-Demonstrationen 6356.

3 Mayers. Das Hochschulmagazin für München  vom Januar 1998, 5; siehe „Sparwars – the university streiks back“ und „Rede eines Mitglieds der SchülerInneninitiative München“.