Flusslandschaft 1971

Kinder

„Kindergärten teurer: Bezahlt die hohen Gebühren nicht! Sicher haben Sie es schon gehört oder gelesen: Die Gebühr für einen städtischen Kindergartenplatz wird teurer. Für Eltern mit besonders geringem Bruttoeinkommen (bis 500. – DM) soII sie gesenkt werden, Väter und Mütter, die ge-
meinsam oder allein monatlich 1.100.– bis 2.000.– DM brutto verdienen, müssen ab 1. April bis zu 100 % mehr zahlen. Also betrifft die Gebührenordnung fast alle Eltern, die ihr Kind bisher in den Kindergarten oder einen Hort gaben, falls sie überhaupt einen Platz fanden. Bis zu 80.– DM soll das nun kosten, wenn man sein Kind zur ‚Aufbewahrung‘ in einen städtischen Kindergarten gibt, und das für wenige Stunden täglich (Essen und Spielgeld kommt noch extra dazu). Denn ist es et-
was anderes als Aufbewahrung und ‚Abstellen‘ der Kinder, wenn eine Kindergärtnerin sich mit 30 bis 35 Kindern abgeben muß? Da setzen die ‚Stadtväter‘ kurz entschlossen die Gebühr in die Höhe und kümmern sich überhaupt nicht darum, welche Auswirkungen das für die betroffenen Kinder und deren Eltern hat. Es drängt sich unwillkürlich der Verdacht auf, mit der Erhöhung wird ein bestimmtes Ziel verfolgt: nämlich auf ganz einfache Art und Weise die fehlende Zahl von städti-
schen Kindergärten und Horten herabzudrücken. Denn es leuchtet doch jedem ein, daß bei diesen Preisen weniger Eltern ihre Kinder in einen Kindergarten geben werden. Der bayrische Elternbei-rat sprach von systematischer Aussperrung von Kindern, deren EItern sich derart teure Kinder-
gärten und Horte nicht leisten können. Leidtragende sind die Kinder und die Frauen, die entweder ihren Beruf aufgeben müssen, um das Kind zu Hause betreuen zu können, oder Schicht arbeiten müssen, vornehmlich am Abend, wenn dann der Ehemann zu Hause ist, um auf die Kinder aufzu-
passen. Diese Zustände müssen nicht sein, das Beispiel DDR zeigt es uns. Dort bezahlen die Eltern für ein Kind pro Monat 10.– DM mit Essen, jedes zweite Kind hat einen Kindergartenplatz. Gerade München zeigt, wie bei uns die Prioritäten gesetzt sind: Milliarden werden ausgegeben für die Olympischen Spiele, dem Siemens-Konzern wurde ein Millionenbetrag an Grunderwerbssteuer er-
lassen. Die Interessen der Großkapitalisten und das ‚Prestige’ der Stadt sind wichtiger als die Be-
dürfnisse der Lohn- und Gehaltsabhängigen. Auf dem Frauenforum der DKP zum Internationalen Frauentag am 6.3.71 verfaßten die empörten Besucherinnen eine Resolution an OB Vogel, die Ge-
bührenerhöhung sofort rückgängig zü machen. Andernfalls wurden Protestaktionen angekündigt. ELTERN WEHRT EUCH! BEZAHLT DIE GEBÜHREN NICHT! FINDET EUCH ZUSAMMEN IN PROTEST-AKTIONEN! Sind Sie an weiteren Informationen über geplante Aktionen interessiert? Dann werden Sie sich an Hans Koller, 8 München 15, Reisingerstr. 5“1


1 Westendzeitung. Wohngebietsgruppe Westend der Deutschen Kommunistischen Partei 6 vom April 1971, 9.

Überraschung

Jahr: 1971
Bereich: Kinder