Materialien 1972
Sonderschichten zugunsten der BMW-Belegschaft?
Wie Kollege Golda im kleinen Kreis von Vertrauensleuten mitteilte, hat er den drei Sonderschich-
ten nur zugestimmt unter der Bedingung, dass bei jeder Sonderschicht 100 Wagen der 520er-Klasse für den Verkauf an BMW-Beschäftigte produziert werden. (Mit solchen Versprechungen und Argumenten wurden wir übrigens schon oft für Sonderschichten geködert.)
Wie Golda weiter mitteilte, habe das bei der ersten Sonderschicht nicht geklappt; das Werk (besser die Werksleitung) hatte diese 100 Wagen schon verplant.
Und weiter: wenn sich dies bei der zweiten Sonderschicht wiederhole, werde keine dritte Sonder-
schicht gefahren werden.
Tatsache aber ist, daß wir schon 2 Sonderschichten gefahren haben. Zu Nutz und Frommen der Herren Quandt und Kuenheim, zugunsten der Großaktionäre! Dafür mußten wir schon oft unsere freien Samstage opfern, die wir bei der ständig steigenden Arbeitshetze, der Schicht- und Akkord-
arbeit so dringend zur Erholung benötigen.
Es ist verständlich, daß sich Kollegen einen BMW-Wagen ab Werk zum verbilligten Preis kaufen woIlen – sie stellen ja die Autos auch her. (Natürlich verdienen die BMW-Bosse auch am Verkauf an Betriebsangehörige.)
Wir meinen: die Stückzahl der Autos für den Verkauf an Werksangehörige muß erhöht werden. Aber nicht auf Kosten der Arbeiter und Angestellten. Nicht durch Sonderschichten, nicht durch Schnellerlaufen der Bänder, nicht durch noch höhere Arbeitsleistung.
VERSTÖSSE GEGEN DIE ARBEITSZEITORDNUNG
Im Auftrag der BMW-Bosse sagen vieIe Meister zu den ausländischen Kollegen einfach: „Du kommst morgen!“ Und wenn zu wenig Arbeitskräfte da sind, werden ausländische Kollegen aus der Spätschicht freitags dazu angehalten, am darauffolgenden Samstag Frühschicht zu machen und dies nicht nur, wenn offizielle Sonderschichten angesetzt sind.
Dadurch verstoßen die BMW-Bosse eindeutig gegen die gesetzliche Arbeitszeitordnung. Zwischen Schichtende und Schichtbeginn müssen elf Stunden Freizeit eingehalten werden!
Dies zu überwachen wäre Aufgabe der betreffenden Betriebsräte und Vertrauensleute!
Viele ausländische Kollegen fühlen sich zu den Samstagsschichten gezwungen. So haben verschie-
dene Kollegen , die es ablehnten samstags zu kommen, schlechtere Akkordarbeiten erhalten. Andererseits haben viele Angst, daß ihre Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert wird.
„40 STUNDEN SIND GENUG“, so sagen viele Kollegen. Sie sprechen aber nicht nur so, sondern praktizieren dies auch. In fast allen Hallen und Abteilungen fehlte bei den letzten Sonderschichten ein erheblicher Teil der Arbeiter.
Jetzt ist die Solidarität aller BMW-Arbeiter und -Angestellten notwendig.
Die Werksleitung muß wissen: wir wollen keine Sonderschichten!
Der Betriebsrat darf keiner Sonderschicht mehr zustimmen!
Wir wollen eine geregelte Arbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden.
Die Zündung. Zeitung der DKP-Betriebsgruppe für die BMW-Arbeiter 6 vom Juni/Juli 1972, 5, Nachlass Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung