Materialien 1976
Seit 16 Jahren geht es um die Existenz der Münchner Mieter
Was die CDU/CSU-Regierung unter Adenauer nicht schaffte, das will nun die SPD/FDP-Regierung mit Unterstützung des Münchner SPD-Stadtrates durchsetzen: 1977 sollen auch für München die berüchtigten Lücke-Gesetze gelten.
In München wehrten sich die Mieter erfolgreich. Mieterdemonstrationen, Bürgerinitiativen und Mieterkomitees entwickelten einen solch starken Druck, daß selbst der Münchner Stadtrat und sogar die Münchner CSU einen Antrag an den Bundestag unterstützen mußten, der für München eine Beibehaltung der Mietpreisbindung zumindest für Altbauten vorsah. München wurde zum „Grauen Kreis“, wie all die Gebiete genannt wurden, in denen eine Mietpreisbindung für solche Wohnungen bestand, die bis zum 20.6.48 bezugsfertig wurden, und die weniger als sechs Wohn-
räume einschIießlich Küche haben.
Die Begründung von 1972, als das Gespenst des „Weißen Kreises“ erneut aufgetaucht war, hat an Aktualität nichts verloren: „Der krasse Mangel an Wohnraum dauert im Bereich der Landeshaupt-
stadt München nach wie vor unvermindert an. Die Mieten für Wohnraum sind derart gestiegen, daß sie von den vielen Wohnungssuchenden und Mietern überhaupt nicht oder nur unter großer Bedrängnis aufgebracht werden können.
Ein funktionierender Wohnungsmarkt existiert in München gegenwärtig nicht. Der Wohnungsbau hält mit dem ständigen Wachsen der Einwohnerzahl nicht Schritt. Eine bedarfsgerechte Anpas-
sung der Bauleistung an die Bevölkerungszunahme ist auch für die nächsten Jahre nicht zu erwar-
ten.
NEUE GESETZE MIETERFEINDLICH
Auch als 1974 durch die damalige SPD/FDP-Regierung ein neues Mietergesetz verabschiedet wurde – das Wohnraumkündigungsschutzgesetz – mußte aufgrund der Mieteraktionen in Artikel 6 die Sonderregelung für München übernommen werden.
Doch dieses mieterfeindliche Gesetz, das mehr den Namen „Kündigungsgesetz“ verdient, legte schon die Grundlagen für die kommenden Mieterhöhungen. Das Gesetz hob nämlich die Miet-
preisbindung zum 1.1.76 auf, erlaubte jedoch nur eine Mieterhöhung bis maximal 10 % bis Ende 1976. Was in der Praxis bedeutete, daß zwar den Mieterhöhungen Grenzen gesetzt wurden, bei Neuvermietungen aber auch für die Altbauwohnungen Mieten wie im freien Wohnungsbau ver-
langt werden konnten. Sie betragen schon heute bis zu 7.– DM/qm.
Läuft die Sonderregelung wie vorgesehen zum 31.12.76 aus, so hat der Vermieter die gesetzliche Handhabe, die Mieten an die ortsübIichen VergIeichsmieten anzupassen. Dazu genügt es nachzu-
weisen, daß in drei vergleichbaren Wohnungen eines anderen Vermieters höhere Mieten gezahlt werden. Und jetzt kann sich die „Vereinbarungsfreiheit“ bei Neuvermietungen voll auswirken. Denn jede bei Neuvermietungen hochgetriebene Miete stellt nun eine Vergleichsmiete dar, die der Vermieter nun von allen Mietern verlangen kann.
Zwar hat der Mieter noch eine gesetzliche Einspruchsfrist. Doch damit kann er die Mieterhö-
hungen nur bis zum 1.5.77 hinausschieben. Dann heißt es für ihn „zahlen“, wenn nicht auch diesmal auf gesetzlichem Wege eine Verlängerung der Mietpreisbindung beschlossen wird.
Aber: Die Bonner Parteien lehnen diese Verlängerung ab. Stadtrat und Oberbürgermeister legen die Hände in den Schoß. Rütteln wir sie wach: Mit Unterschriften unter den Antrag der DKP an den Münchner Stadtrat, sich in Bonn für eine Verlängerung der Mietpreisbindung einzusetzen.
Der starken Nachfrage nach geeigneten und preislich erschwinglichen Wohnungen steht nach wie vor ein viel zu geringes Angebot gegenüber. Die Beibehaltung der Mietpreisbindung über den 31.12.72 hinaus ist unter diesen Umständen für viele Münchner Bürger eine Existenzfrage.
Der rote Radi. Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei für Laim, Hadern u. Westend vom November 1976, 2.