Materialien 1977

Nicht jammern, sondern handeln!

Aus der Arbeit der Münchner Gruppe der Demokratischen Fraueninitiative

Im Dezember vorigen Jahres bildete sich eine Gruppe der Demokratischen Fraueninitiative in München. Es begann mit einem Informationsabend zum Thema Arbeitslosigkeit und Lehrstel-
lenmangel in München.

Ein Mitarbeiter des Münchner Arbeitsamtes vermittelte Daten und Fakten „aus erster Hand“. Als Angehöriger einer öffentlichen Einrichtung, der mehr und mehr die Aufgabe zugewiesen wird, den Notstand zu verwalten, wurde er mit kritischen Fragen konfrontiert. Das Fazit der Diskussion: Der ständigen Verschlechterung der Ausbildungsbedingungen und dem zunehmenden Abbau von Ar-
beitsplätzen für Frauen müssen die Betroffenen den aktiven Kampf für ihr Recht auf Arbeit und bessere Berufs- und Ausbildungsbedingungen entgegensetzen.

Die Schlußfolgerung für die Gruppe hieß somit: Wir brauchen viele aktive Mitglieder! Folgende Aufgaben mußten zunächst angepackt werden:

♀ die Demokratische Fraueninitiative bekanntzumachen, ihre Forderungen und Ziele in die Öffentlichkeit zu tragen;
♀ eine gezielte Mitgliederwerbung;
♀ einen Arbeitszusammenhang in der Gruppe herzustellen, der alle Mitglieder zum Mitmachen anregt.

Wir entschlossen uns, vom 4. bis 7. März Frauenfilmtage durchzuführen. Damit hatten wir uns ein Stück Arbeit vorgenommen, das den persönlichen Einsatz jedes Mitglieds erforderte. Es mußten Filme ausgewählt, das Programm zusammengestellt, Filme beschafft und bestellt werden. Ein Flugblatt und ein Plakat wurden entworfen, ein Kino gemietet. An einem Informationsstand, durch Flugblattverteilung und Plakatierung sowie Informierung der örtlichen Presse und des Rundfunks machten wir auf „Die ersten Münchner Frauenfilmtage der Demokratischen Fraueninitiative“ auf-
merksam. Wir stießen dabei auf soviel Interesse, daß wir der Veranstaltung optimistisch entgegen-
sahen.

Das Programm war so angelegt, daß verschiedene Problemkreise anschaulich gemacht und disku-
tiert werden konnten. So wurde am 1. Tag mit den Filmen „Helfen können wir uns nur selbst“ und „Wer braucht wen?“ sowie mit dem Klassiker „Salz der Erde“ die Situation der Frauen und Mäd-
chen im Betrieb und bei der Ausbildung sowie das Thema gewerkschaftliches Engagement der Frauen behandelt.

Der 2. Tag hatte exemplarische Lebensläufe von Frauen zum Thema: das Leben einer Arbeiterfrau mit dem Film von Erika Runge „Warum ist Frau B. Glücklich?“; der Kampf einer Rentnerin in München gegen einen brutalen Hausbesitzer in „Fassade“ von Charlotte Kerr; des weiteren die Biographie einer Kleinbürgerin mit dem Film „Tue recht und scheue niemand“ von Jutta Bräckner und Lebensstationen einer Revolutionärin mit „Rosa Luxemburg“ von Renate Drescher/DDR. Zu diesem Komplex kam noch der Film „Der Dritte“ von Egon Günther/DDR. Dieser Film zeigt eine emanzipierte Frau im Sozialismus auf der Stiche nach dem dritten Mann. Erkennbar wird, daß traditionelle Verhaltensweisen auch im Sozialismus zählebig sind.

Am 3. Tag wurde ein Film über Frauen vom Münchner Hasenbergl, einem Arbeiterwohngebiet, gezeigt: „Zum guten Schluß dann ich“ von Monika Ergert. Die gezeigten Frauen thematisieren die ihnen aufgezwungene Hausfrauenrolle und versuchen den Ausbruch. Sein Gelingen wurde durch die Anwesenheit der Darstellerinnen anschaulich: Selbstbewußtsein und Mut zur Auseinanderset-
zung mit entwürdigenden Lebensbedingungen wurden als Ergebnis eines Lernprozesses gezeigt, der wohl auch zum Teil durch die Mitwirkung im Film provoziert wurde. Unterhaltsames zur Frage der Weiblichkeitsideologie und der daraus resultierenden Festlegung auf geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der Familie brachte der Film „Nehmen Sie es wie ein Mann, Madame“ von däni-
schen Filmemacherinnen.

Am 4. Tag gab es als zeitgeschichtliches Dokument den Film „Cyankali“ aus dem Jahre 1930 von Hans Tinter. In der Diskussion wurden Parallelen zur aktuellen Situation um den § 218 gezogen, der von seinem Klassencharakter nichts eingebüßt hat. Die Diskussion machte klar, daß sich die Frauen ihr Recht auf Selbstentscheidung noch erkämpfen müssen.

Zum Abschluß wurden mit dem Film „Familienglück“ von Marianne Lüdecke und Ingo Kratisch die unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen als Konfliktauslöser in der Familie, zwischen den Ehepartnern, dingfest gemacht.

Jeden Film diskutierte das Publikum lebhaft und interessiert. Als Filmemacherinnen hatten Erika Runge, Charlotte Kerr, Jutta Brückner und Monika Ergert Gelegenheit, über ihre Arbeit zu spre-
chen.

Die Arbeit hat sich gelohnt! Das Kino war stets ausverkauft, viele konnten keine Karte mehr be-
kommen, und wir stellten zu unserer Überraschung fest: „Das Kino ist zu klein.“ Kurzfristig konnten zwei Filme wiederholt werden.

Über 1.000 Besucher – Männer wie Frauen – und viele Anfragen nach einer Wiederholung bestä-
tigten uns darin: Im März 1978 gibt es wieder Frauenfilmtage.

Jetzt werden wir unsere Erfahrungen auswerten und auch eine Dokumentation dazu veröffentli-
chen.

Die nächsten Wochen stehen für unsere Gruppe im Zeichen der Vorbereitung auf den Kongreß in Oberhausen am 16. April. Mit Referaten und Diskussionen über die Themen der geplanten Arbeits-
kreise auf diesem Kongreß wollen wir auch die neuen Mitglieder in die Arbeit einbeziehen. Mit einem ersten Erfolg im Rücken hat der Genosse Frust keine Zukunft, und die Devise „Nicht jam-
mern, sondern handeln“ läßt sich viel leichter befolgen.

Dagmar Holzer

(Die Dokumentation über die Filmtage kann bezogen werden bei: Christl Strobel, 8 München 40, Werner-Friedmann-Bogen 18/V gegen Voreinsendung von einem Unkostenbeitrag von 3 DM in Briefmarken.)


Betriebsecho. Zeitung der DKP-Betriebsgruppe für die Siemens-Belegschaft vom April 1977, 2.

Überraschung

Jahr: 1977
Bereich: Frauen