Flusslandschaft 1977

Hausbesetzungen

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Samstag, 11. Juni, Früh um sieben Uhr: An der Fassade des Jugendstilhauses an der Johann-von-Werthstraße 5 flattern Transparente. Seit fünf Jahren stehen hier acht große Wohnungen leer. Die meisten Passanten, die vorübergehen, begrüßen die Aktion. „Der Skandal begann schon 1972. Der damalige Hausbesitzer Czajkovski wollte ein Appartement– und Geschäftshaus bauen, das ihm ein Mehrfaches an Profit einbringen sollte; also warf er die Mieter hinaus. Zwei ältere Menschen, die schon seit Jahrzehnten in dem Gebäude gewohnt hatten, starben kurz darauf; eine Familie mit zwei Kindern mußte in eine winzige Neubauwohnung ziehen. Ein Mieter hielt noch bis vor einem Jahr die SteIlung, weil er darin die einzige Chance sah, die Stadt zu Auflagen gegenüber dem Hausbesitzer zu zwingen. Inzwischen ist auch er ausgezogen. Da das Haus unter Denkmalschutz gestellt wurde, konnte Czajkovski seine PIäne nicht sofort verwirklichen. 1975 übernahm eine Pfälzer Bank das Gebäude, um es kurz darauf weiterzuverkaufen – an den berüchtigten Kölner Großspekulanten Kaußen, dem in der Bundesrepublik und in Westberlin über 50.000 (!) Woh-
nungen gehören … Daß Kaußen der derzeitige Hausbesitzer ist, erfuhr die Neuhauser DKP-Gruppe erst bei der Besichtigungsaktion; die Vertreter der Stadtverwaltung hatten diese Tatsache gegen-
über den Neuhausern bisher sorgfäItig verheimlicht, obwohl sich der Bezirksausschuß und die Bürgerversammlungen des 23. Stadtbezirks schon mehrfach mit der Johann-von-Werthstraße 5 beschäftigt hatten. Auch dies ein trauriges Zeichen dafür, welche Interessen unsere sozialdemo-
kratisch geführte Stadtverwaltung schützen zu müssen glaubt!“2


1 Rotkreuzplatz-Blitz. Zeitung der DKP-Wohngebietsgruppe Neuhausen 4 vom Juli 1977, 1.

2 A.a.O. 2.

Überraschung

Jahr: 1977
Bereich: Alternative Medien