Materialien 1977
Theater der Jugend –
vielen bekannt, weil es nicht erst auf Besucher wartet, sondern sich mit Freilichtvorstellungen sein Publikum in den verschiedenen Münchener Stadtteilen sucht – hat in diesem Jahr sein neues Haus am Elisabethmarkt bezogen. Eine positive Sache, da doch überall sonst an der Kultur gespart wird.
Aber der Bau ist ein Symptom dafür, wie in unserer Gesellschaft mit Kindern und Jugendlichen umgegangen wird: Billige Holzstühle ohne Armstützen, wo die Kinder zunächst nicht einmal über die Lehnen gucken konnten; für die Innenausstattung im wesentlichen ein dunkles Braun (wenn man kratzt, fällt die Farbe ab) – als ob noch nie jemand davon gehört hätte, daß Kinder Farben lieben; eine schwarz-grau verschandelte Decke, die bisher keiner anders als scheußlich gefunden hat; und eine altmodische Guckkastenbühne, vor der sich die Kinder noch kleiner vorkommen müssen als man sie schon halten will (bei dem ehemaligen Kino soll angeblich keine andere Lö-
sung möglich gewesen sein). Mitarbeiter des Theaters sprechen von einer „städtisch verordneten Einschüchterungsarchitektur“. Doch daß das Theater am Elisabethmarkt steht und daß es arbeitet, ist gut.
Die Theaterleute arbeiten mehr als 8 Stunden am Tag, manchmal werden’s 12 oder 14, sie wollen der kulturellen Verarmung des Schulunterrichts entgegenwirken, wollen den Jugendlichen zeigen, welche Interessengegensätze es in unserer Gesellschaft gibt und wo ihr Platz in etwa sein könnte. Sie versuchen zu zeigen. daß Denken Spaß machen kann. Das gemeinsame Erlebnis dabei ist wich-
tig, deshalb: Diskussion nach jeder Vorstellung.
Noch trauen sich die Kinder nicht recht ohne Lehrer, Eltern oder Omas in dieses Theater hinein. Das mag an den Eintrittspreisen liegen, mit 4,– bis 12,– Mark(auf Schülerausweis überall 5,– DM) sind sie zu hoch. Es liegt aber auch daran, daß die Verantwortlichen noch nicht recht begriffen haben, daß Kinder oder Jugendliche ein ganz normales Publikum sind und nicht eine Horde von Störern und Kaputtmachern, die sich vielleicht gegenseitig vom Balkon schmeißen oder nach einem Rock-Konzert die Stühle zerschlagen. Bilanz nach fünf Konzerten: kein einziger Stuhl beschädigt.
Wichtig wäre, daß die Jugendlichen dieses Haus, das ihnen die Stadt hingestellt hat, als ihr eigenes begreifen lernen, wohin man jeder Zeit gehen kann, weil immer etwas läuft. Die Schauspieler sind bereit, Spielnachmittage zu veranstalten, Gruppen zu betreuen, die selber ein Stück machen wollen – aber dazu kommt es nur selten, weil jemand eingesetzt werden müßte, der für die Sicherheit des Hauses verantwortlich ist. Und weil das (nach den rd. 4½ Millionen Mark, die das Projekt gekostet hat) noch ein bißchen was kosten würde, bleibt das Haus eben zu. Im Augenblick sieht es oben-
drein so aus, daß ein uniformierter Ordnungsdienst die Jugendlichen herausschickt, wenn sie ihre Karte gekauft haben und (z.B. bei Regen) auf den Beginn der Vorstellung warten wollen. Das liegt nicht an den einzelnen „Ordnungsbullen“, wie sie sehr schnell genannt wurden (sinnvoll wäre, sie aus der Uniform herauszutun!), sondern daran, daß sich die Theatermacher mit ihrer Konzeption vom Kinder- und Jugendtheater gegenüber der Stadt noch nicht durchsetzen konnten. Zu der wür-
de gehören, Sozialpädagogen anzustellen, die tagsüber oder zumindest an einigen Tagen ein Pro-
gramm machen und wenn’s zunächst mit ein paar Flipperautomaten anfinge, wo sich die Jugend-
lichen aus der Berufsschule und vom Gymnasium gegenüber treffen und ins Gespräch kommen könnten.
Bisher wird das Haus wie ein konventionelles Theater gehandhabt, zur Vorstellung heißt es: Türen auf, kommt und guckt, aber dann: schnell wieder weg. Doch die Jugendlichen brauchen etwas, wo mehr passiert, wo was los ist, wo man hingeht. Die Rock-Konzerte waren ein Anfang, das diskutier-
te Kommunale Kinderkino könnte weiterführen.
Die Wünsche der Theatermacher: Mehr Mitarbeiter, denn die Arbeitszeit der Einzelnen ist zu lang. Mehr Geld, um Autoren, die für Kinder oder Jugendliche schreiben, Stücke in Auftrag zu geben und mit ihnen gemeinsam etwas zu entwickeln (deren Honorare liegen bisher um ein Drittel oder sogar die Hälfte unter dem, was Stückeschreiber für’s Erwachsenentheater bekommen). Mehr Geld bräuchte man auch für die Ausstattung, d.h. für das, was auf der Bühne zu sehen ist (das Theater der Jugend hat nur ein Zehntel dessen zur Verfügung, was die Dekorationen in den Kammerspie-
len kosten – auch hier zeigt sich die Einschätzung einer so wichtigen Arbeit durch die Behörden, die Einstellung gegenüber den Kindern). Und schließlich: Geld, um pädagogische Mitarbeiter an-
stellen zu können, um das Haus offen zu halten und es auch wirklich zu nutzen.
Unser Rat: Besucht das Theater der Jugend! Stärkt den Theatermachern den Rücken, damit das Haus Euer Haus wird! Abgesehen davon: Es macht Spaß!
Schwabinger Wecker. Stadtteilzeitung der DKP für Schwabing-West vom Juli/August 1977, 6.