Flusslandschaft 2001

AusländerInnen

„21. März: Proteste gegen Erfassungspraxis der bayerischen Polizei: Der Zentralrat der Sinti und Roma protestiert in einer Presseerklärung gegen Dateien bei der bayerischen Polizei, in denen Be-
griffe wie «Zigeunertyp" oder «Personentyp Sinti/Roma" auftauchen. Am 12. Oktober gibt das bayerische Innenministerium bekannt, dass die Rubrik «Sinti/Roma" nicht mehr in Polizeiformu-
laren zur Personenbeschreibung geführt werde. Auch Sonderdateien über Autokennzeichen und so genannte Sippenführer von Sinti und Roma werden gesperrt. Die Kategorie «südländisch" bleibt allerdings bestehen.“1

Die hohen Ausbildungskosten, aber auch die negative demographische Entwicklung sind der Grund, dass sogar konservative Politiker sich seit Beginn des Jahres für eine „geregelte Zuwande-
rung“ aussprechen. Innenminister Beckstein meint, „wir“ bräuchten mehr Menschen, die uns nüt-
zen, und weniger, die uns ausnützen. Nach Vorstellung der CDU/CSU, tendenziell aber auch im-
mer mehr der SPD und der Grünen, müsse ein Einwanderungsgesetz einhergehen mit der Abschaf-
fung der Rechtswegsgarantie des Asylrechts im Grundgesetz (Artikel 19). Die Green Card Regelung als erster Schritt, qualifizierte Leute zu holen, gilt heute als unzureichender Schnellschuss (20.000 wollte man, 5.000 sind angesichts der mangelnden Attraktivität – Befristung auf 5 Jahre – nur ge-
kommen). Die bisherigen Regelungen wie die Ausländergesetze entsprechen nicht mehr den heuti-
gen Ansprüchen des Kapitalismus, da sie einerseits zu wenig freizügig (für das Kapital) und ande-
rerseits zu wenig repressiv (gegen die Menschen) sind. Die SPD möchte das Problem (einschließ-
lich der Knackpunkte Freizügigkeit für EU-Bürger und Familiennachzug) noch dieses Jahr geklärt wissen, damit es nicht den Wahlkampf bestimmt. Zwischen dem „3-Säulen-Konzept“ der Grünen und den Vorstellungen der CDU bestehen Ähnlichkeiten. Für kritische Zeitgenossen ist ein Ein-
wanderungsgesetz dagegen immer ein Ein-wanderungsbegrenzungsgesetz. Sie treten stattdessen ein für
* ein republikanisches Staatsangehörigkeitsrecht, den Rechtsanspruch auf deutsche Staatsbürger-
schaft und die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft für alle hier dauerhaft lebenden Menschen,
* die Gleichstellung aller hier dauerhaft lebenden Menschen durch gleiche soziale, politische und kulturelle Rechte, hierzu gehört auch das allgemeine und gleiche Wahlrecht,
* die ersatzlose Streichung des diskriminierenden Ausländergesetzes,
* das Recht auf politische Organisation,
* ein Antidiskriminierungsgesetz gegen die Diskriminierung von Ausländern bei Behörden, in Be-
trieben, vielfältigen Gesetzen und Verwaltungsvorschriften.2

Die Aktion „Butterbrot“ demonstriert am Mittwoch, 30. Mai, von 10 bis 20 Uhr auf dem Marien-
platz. Freiberufliche Lehrerinnen und Lehrer für Deutsch als Fremdsprache protestieren gegen Subventionskürzungen bei Deutschkursen und beklagen „frühkapitalistische unzumutbare Ar-
beitsbedingungen“. Ab September würden Integrationskurse für lernwillige Einwanderer einge-
stellt.

Ein Beamter des Münchner Flughafens hindert den Schriftsteller Tariq Ali daran, in den Flieger nach London zu steigen.3

Siehe auch „Rechtsextremismus“.


1 Till Müller-Heidelberg u.a. (Hg.), Grundrechte-Report 2002. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland, Reinbek bei Hamburg 2002, 232 f.

2 „Während die Europäisierung der Migrationspolitik, insbesondere die Vorverlagerung der Grenzkontrollen weit fortge-
schritten ist, so dass das Migrations- und Fluchtgeschehen schon lange nicht mehr zentral in Deutschland stattfindet, steckt eine kritische sozial- und politikwissenschaftliche Migrationsforschung hierzu in den Kinderschuhen. Zwar gibt es zwei, drei relevantere migrationswissenschaftliche Forschungsinstitute in Deutschland wie in Bamberg, Berlin oder Osnabrück, die sich allerdings eher als think tanks den Architekten des europäisierten Grenzregimes anbieten. Dagegen sind Forsche-
rInnen mit einer kritischen Position selbst innerhalb ihrer universitären Einrichtungen stark vereinzelt. Mit dem Netzwerk kritische Migrations- und Grenzregimeforschung wollen wir kritische WissenschaftlerInnen aus Deutschland und dem Ausland zusammenbringen, um gemeinsam die jeweiligen Forschungsprojekte zu diskutieren. Ziel ist es, eine prononcierte Migrations- und Grenzregimeforschung zu entwickeln. Sie soll nicht nur die Politiken und Effekte der Europäisierung der Migrations- und Grenzregime in ihrer ganzen Komplexität analysieren können, sondern auch einen Link zur politischen Praxis schaffen.“

3 Siehe „Quis custodit custodes?“ von Thies Gleiss.

Überraschung

Jahr: 2001
Bereich: AusländerInnen