Materialien 1978
Errichtung eines Freizeitheims in Obersendling
München, den 15. August 1978
Ihr Schreiben vom 28. Juli 1978
Sehr geehrter Herr Dr. Zehetmeier,
für Ihre Mitteilung betreffend des Beschlusses der Bürgerversammlung des 24. Stadtbezirks, in Obersendling die Errichtung eines Freizeitheimes zu verlangen, danke ich Ihnen sehr. Sie werden aber verstehen, daß die Aussicht, in Obersendling das letzte von 48 geplanten Freizeitheimen zu-
gewiesen zu bekommen, keineswegs begeisternd wirkt. Die Probleme der Jugendlichen in unserem Stadtteil, dessen Freizeitwert ohnehin jeder Beschreibung spottet – Kinos oder dergleichen gibt es hier nicht! – werden nicht dadurch gelöst, daß sie frühestens im Rentenalter mit einem Freizeit-
heim rechnen dürfen.
Nun sind die Rechenergebnisse, die im kommunalen Jugendplan festgehalten werden, sicher nicht hinwegzuraisonnieren. Dennoch meine ich, daß die FORM der Planung einer Würdigung bedarf.
Hier wurde von einem Technokratenteam, das das Rathaus offensichtlich nur nach Feierabend verließ, die Stadt in Planungsquadrate eingeteilt, um darauf einen formalen Rechenvorgang aufzu-
bauen, ohne mit den Problemen der einzelnen Stadtteile jemals wirklich bekannt geworden zu sein; das Eingeständnis der mangelnden Bereitschaft, bürgernahe Planung zu betreiben, wird in der Einleitung zum Jugendplan denn auch gemacht: die Bewertung vorhandener Freizeiteinrich-
tungen werde unterlassen, da ‚eine großangelegte Untersuchung‘ dazu notwendig sei (S. 10). Für Obersendling bedeutet dies, daß die Jugendlichen weiterhin auf die ‚vorhandenen Einrichtungen‘ der Gaststätten und Kneipen angewiesen sein werden, wo sie bis zum Erreichen eines angemesse-
nen Promillegrades ihre Freizeit verbringen sollen.
Die Aufteilung in Planungsbereiche brachte weiter mit sich, daß die nahe angrenzenden Stadtteile Thalkirchen, Fürstenried-Ost und Solln eigene Bewertungen erhielten, so daß die beiden letzteren Stadtteile in der Planung gar nicht erscheinen – wohl wegen des Freizeitheimes in Fürstenried-West, das von dort aus aufgrund der zu großen Entfernung aber gar nicht besucht wird –, während Thalkirchen und Obersendling gemeinsam auf den letzten PIätzen genannt werden. Es ist doch offensichtlich, daß eine Prüfung des Sachverhaltes an Ort und Stelle die inzwischen gewachsene Verbindung der genannten Stadtteile hätte berücksichtigen müssen; damit wären aber auch die Aussichten, in absehbarer Zeit ein Freizeitheim zu erhalten, erheblich gewachsen.
Hinzu kommt, daß wir in Obersendllng und Fürstenried einen Arbeiteranteil von ca. 50% der Be-
völkerung … haben, deren Kinder – wie auch in der Einleitung zum Jugendplan hervorgehoben wird – vornehmlich die Freizeit in ihrem Stadtgebiet verbringen wollen und nicht auf Angebote in anderen Stadtteilen zurückgreifen. Dieser Umstand, der in den Berechnungen zur Dringlichkeits-
liste für die Erstellung von Freizeitheimen besondere Berücksichtigung erfahren hat, wäre unserem Gebiet im Falle bürgernaher Planung zusätzlich zum Vorteil geraten.
Sie werden verstehen, daß viele Jugendliche Obersendlings und der angrenzenden Stadtteile, von denen schon seit einiger Zeit eine Gruppe die Forderung nach einem Freizeitheim stellt, sich mit der bürokratischen Aussage des Kommunalen Jugendplans nicht zufrieden geben werden.
Wir werden daher versuchen, die Frage der Freizeitgestaltung in unserem Wohngebiet stärker in der Öffentlichkeit zu diskutieren und insbesondere dem Jugendplan als Ausdruck technokratischer Organisation gegen den Bürger besondere Aufmerksamkeit widmen. Denn wir sind davon über-
zeugt, daß sich Probleme, die die Menschen betreffen, letztendlich auch gegen die Rechenmaschi-
ne des Kommunalen Jugendplans durchsetzen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Jehle
Der KontraPunkt. Zeitung der DKP Obersendling/Fürstenried 3 vom September 1978, 7.