Flusslandschaft 1973

Jugend

Im Theater der Jugend findet die Uraufführung von „Stifte mit Köpfen“ von Werner Geifrig am 13. Februar 1973 statt. Der Autor: „… Ich tat mich in München bei verschiedenen Firmen um, zum Bei-
spiel bei Siemens, sprach mit Lehrlingen, recherchierte weiter, ging in Klausur und schrieb das Stück … »Stifte mit Köpfen« wurde vom Verlag der Autoren mit großer Begeisterung angenom-
men. Damit war das Stück so gut wie etabliert. Aber richtig etabliert hat es dann das Bayerische Kultusministerium. In der Entstehungsphase mußte ich mir immer wieder von befreundeten Thea-
terleuten anhören: Wer soll sich das denn anschauen? Lehrlinge gehen doch sowieso nicht ins Theater. Wart’ ab, wir werden schon sehen, dachte ich. Das hat sich übrigens wiederholt, als ich beim Crüppel Cabaret anfing. Die Überraschung war dann groß, als wirklich viele Lehrlinge in die Aufführungen kamen. Manche sechs- oder siebenmal, weil es IHR Theater war, IHR Stück. Lehr-
linge waren am Schreibprozeß beteiligt. Der Weismann Verlag gab ein Buch dazu heraus, Materia-
lien zur gesellschaftspolitischen Situation der Lehrlinge und über die Entstehung des Stücks. Die Schulvorstellungen wurden für den klassenweisen Besuch vom Kultusministerium verboten, wegen Fäkalsprache, so die offizielle Begründung. Darüber ist ein ziemlich harter Streit entbrannt, weil gerade Hauptschullehrer der Meinung waren, daß ihre Schüler sich das angucken sollten. Sehr schön war, daß gute Schauspieler beieinander waren, Jörg Hube als Unternehmer zum Beispiel, der das Publikum provozierte. Was zur Folge hatte, daß zwei baumlange Kerle ihm eins auf die Mütze geben wollten. Was wiederum zeigt, wie stark die Sache der Betroffenen im Theater ver-
handelt wurde. Wir mußten den beiden gemeinsam klarmachen, daß Hube nur eine Rolle gespielt hat. Als das Stück für Schulveranstaltungen verboten wurde, waren die Abendvorstellungen voll. »Stifte mit Köpfen« ist leider viel zu kurz gespielt worden in München. Niemand hatte damit ge-
rechnet, daß es ein Renner werden könnte. Durch das Verbot ging es durch alle Medien. Ich war total überrascht, daß es auch international Resonanz gefunden hatte. Holländer, Skandinavier, die ich auf Kongressen traf, kannten mich, sagten mir, wir beobachten genau, was in eurem Land vor-
geht.“1

Die Münchner Volkstheaterkooperative inszeniert für die SDAJ den „Arbeiterjugendreport“. Das theater k, das Theaterkollektiv Transparent, das Münchner Montage Theater und die Münchner Songgruppe spielen auf drei Bühnen eine Collage aus 70 Jahren Arbeiterjugendbewegung.

Im Theater der Jugend findet am 29. Juni die Premiere „Wildwechsel“ von Franz Xaver Kroetz statt.


1 Zit. in: Gudrun Lukasz-Aden, Der eine kämpft, der nächste erntet. Vierzig Jahre Theater der Jugend. Vierzig Jahre Theater-Geschichte, (München 1993), 40 f.

Überraschung

Jahr: 1973
Bereich: Jugend