Flusslandschaft 2001
Zensur
„… Seit einem Vierteljahrhundert spotten die Musiker der «Biermösl Blosn» über weltliche und kirchliche Obrigkeiten im Freistaat Bayern. Für ihre Auftritte und Schallplatten sind die Brüder Hans, Michael und Christoph Well, die im bayerischen Dialekt singen und traditionelle Instrumen-
te der Volksmusik einsetzen, vielfach ausgezeichnet worden. Tourneen führten das Trio nach Süd-
korea und an die Elfenbeinküste. Eines ihrer populärsten Lieder ist mehr als 20 Jahre alt. Unter dem Titel «Gott mit dir, du Land der BayWa» machen sich die Musiker darin, in Anlehnung an die Bayernhymne, über den Einsatz chemischer Düngemittel in der Landwirtschaft lustig.
Hauptschülern in Bayern blieb der Vierzeiler allerdings auch im Jahr 2001 vorenthalten. Dafür sorgte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, das den Liedtext aus dem Lehrbuch «Musikland 8» des Metzler-Verlages entfernen ließ. Bereits gedruckt vorliegende Exem-
plare, in denen er im Kapitel «Musik provoziert» auf Seite 71 zu lesen war, musste der Verlag ein-
stampfen lassen. Stattdessen fand sich dort dann das Lied «TV-Glotzer» der «Rotzschlampe » (so ein früherer CSU-Bundestagsabgeordneter) Nina Hagen.
Zur Begründung führte der Staatssekretär im Kultusministerium, Karl Freller (CSU), an, in Schul-
bücher werde nur aufgenommen, was für den Gebrauch im Unterricht geeignet sei. «Das gehört nicht dazu», so Karl Freller im Dezember 2001 vor den Abgeordneten des Bayerischen Landtags. Außerdem dürfe in Schulbüchern keine Produkt- und Firmenwerbung erfolgen. Dies gelte «konse-
quenterweise auch für Anti-Werbung», die «juristische Reaktionen» auslösen könnte. Auf die Fra-
ge, ob die Firma «BayWa» jemals gegen die Verbreitung des Liedes vorgegangen sei, wusste der Staatssekretär allerdings keine Antwort. Unklar bleibt zudem, weshalb im Inhaltsverzeichnis der Neuauflage des Buches auf das verpönte Lied hingewiesen wird. Offensichtlich hatten die eilferti-
gen Zensoren im Kultusministerium die Stelle übersehen …“1
1 Martin Finkenberger: „Die Mehrheit schreibt Geschichte. Vorbehalte gegen Schulbücher, Maßregelungen für Lehrer nach dem 11. September“ in Till Müller-Heidelberg u.a. (Hg.), Grundrechte-Report 2002. Zur Lage der Bürger- und Menschen-
rechte in Deutschland, Reinbek bei Hamburg 2002, 105 f.