Flusslandschaft 2002

Alternative Szene

Erika Grube stirbt am 19. Mai. In der Traueranzeige heißt es: „Gerade erst zwölf Jahre alt war Erika, als sie die offizielle Nachricht von der Hinrichtung ihres Vaters Otto Binder durch die Nazi-Machthaber an der Wohnungstür entgegennahm. Auch ihr Onkel Willy Olschewski jun., wie ihr Vater Mitglied der Widerstandsgruppe Hartwimmer-Olschewski, wurde zum Tod verurteilt, ihr Opa Willy Olschewski sen. wurde im Gefängnis erschlagen. Die Erlebnisse als Kind prägten Erikas Weg. Als 18-Jährige stand sie in den Reihen der FDJ und der KPD, engagierte sich gegen Adenau-
ers Aufrüstung, nahm teil an Kampfaktionen und deutschlandweiten Jugendtreffen. Einmal stan-
den zwei Polizisten vor ihrer Tür, die als Gestapoleute schon Erikas Vater abgeholt hatten: Für die Betroffene war das handgreiflicher Beweis für die Kontinuität der Machtstrukturen. Erikas Leben war gekennzeichnet vom Kampf für Frieden und die Rechte der einfachen Leute, gegen das Wie-
dererstarken faschistischer Kräfte – ob als IGM-Vertrauensfrau, als Aktive in der DKP und der VVN-BdA, in der Cuba-Solidarität, als Mitarbeiterin im Senioren- und Pflegeheim Ludwig Feuer-
bach und in der Otto-Huber-Hütte am Ammersee. Ihre und ihrer Familie Erfahrungen gab sie weiter an junge Genossinnen und Genossen. Ganz zuletzt war sie noch Mitinitiatorin der Gedenk-
veranstaltungen in München am 11. Mai 2002 zum 50. Todestag Philipp Müllers – fünfzig Jahre vorher in Essen war Erika mit dabei gewesen. Die letzten Stunden vor ihrem lnfarkttod verbrachte sie auf einer kleinen Feier mit Freundinnen und Freunden. Ihre Erzählungen, ihr Singen und ihr Lachen werden wir niemals vergessen.“1

Das „Fest der Solidarität“ findet am 20. Juli von 12 bis 20 Uhr mit Imagines-Latinas, Flashback und Cetin auf dem Rotkreuzplatz statt.

Vom 27. bis zum 30. September feiert die Basis Buchhandlung in der Adalbertstraße 41b ihr drei-
ßigjähriges Bestehen.2

Bei einem Treffen wird ein leidiges Thema diskutiert: Darf oder soll man/frau sich mit staatlichen Institutionen einlassen. Einer meint, wir sollten die Gelder, die wir kriegen können, abgreifen. Was wir dann damit machen, läuft den Interessen der Geldgeber zuwider. Jessica, eine Italienerin, die zu Gast in München ist, widerspricht: „Schaut Euch doch den erfolgreichen Gang durch die Insti-
tutionen an. Da gibt es einen ehemaligen Juso, der gerne Marx zitiert hat und heute den ehrenvol-
len Titel „Genosse der Bosse“ trägt. Und dann der einstige Linksradikale, der heute als Außenmini-
ster und Macht-Junkie bellizistische Phrasen schnattert oder der damalige RAF-Anwalt, der heute das exekutiert, was ein Herold sich im Deutschen Herbst ausgedacht hat. Wer vom Staat isst, stirbt an ihm.“ Betretenes Schweigen.

(zuletzt geändert am 17.1.2024)


1 unsere zeit. Sozialistische Wochenzeitung 22 vom 31. Mai 2002, 8.

2 Siehe „… vorwärts und nicht vergessen …“ von Nick Brauns.