Flusslandschaft 2002
Umwelt
Altoberbürgermeister Georg Kronawitter bemängelt im Frühjahr eine in seinen Augen falsche Stadtpolitik. Der Bau von Büroarbeitsplätzen sei wichtiger als der Bau von preiswerten Wohnun-
gen. Und der Bau von fünfundzwanzig Hochhäusern verschandele das Münchner Stadtbild. „Spe-
ziell attackiert Kronawitter die geplante neue Konzernzentrale des Süddeutschen Verlags. Mit 151 Metern soll am östlichen Stadtrand in Steinhausen das höchste Gebäude der Stadt entstehen. Das Haus mit 2.000 Arbeitsplätzen könne auf dem kleinen Grundstück nicht gebaut werden, so Krona-
witter: ‚Es käme zudem nahe an eine nicht erlaubte Begünstigung eines Grundbesitzers und Inve-
stors heran.’ Der Stadtrat dürfe sich nicht zum ‚Erfüllungsgehilfen’ von Großunternehmen machen. Zweites Ziel des Angriffs: ‚Isar Süd’, das von Siemens geplante Stadtviertel mit zwei Hochhäusern. Da nur eine neue Wohnung auf neun neue Arbeitsplätze komme, spricht Kronawitter von einem ‚gigantischen Megaprojekt für die Mietervertreibung’. Schließlich wendet sich Kronawitter auch noch gegen die an der Friedenheimer Brücke vorgesehenen fünf nebeneinander stehenden Hoch-
häuser mit jeweils bis zu 150 Metern Höhe. Was Stadtbaurätin Christiane Thalgott für einen mar-
kanten und buchstäblich herausragenden Akzent der neuen Entwicklungsachse an der Bahnstrecke Pasing-Hauptbahnhof hält, bezeichnet er als ‚so überflüssig wie ein Kropf’. Kronawitter kann sich richtig in Rage reden, wenn es um ‚Mega-Projekte’ geht, die sein Amtsnachfolger Christian Ude ja besonders befürworte. ‚Baurecht beantragen, zubetonieren, verkaufen’, das sei die Maxime der ‚Shareholder-Value-Zombies’. Wahlweise spricht er auch in Anlehnung an seine früheren heftigen Auseinandersetzungen mit dem Bau- und Brauunternehmer Josef Schörghuber vom ‚Schörghuber-Value-Prinzip’ … Neu dabei ist, dass Kronawitter jetzt auch die ‚Vermarktung der Altstadt’ anpran-
gert. Ganz gleich, ob es sich um den ‚Glaspalast’ am Löwenturm handele, um den Alten Hof oder um die Bebauung am Marstallplatz hinter der Oper – immer dominiere nur das ‚Profit-Prinzip’. München sei auf dem raschen Weg ‚zu ein bisschen Florenz und zu ein bisschen Frankfurt’. Das aber wäre, so Kronawitter, ‚die größte Verschandelung und Verhunzung unserer Stadt’.“1
Allein die Gletscher Alaskas geben in derjüngsten Zeit genügend Wasser ab, um den Meeresspiegel weltweit um einen viertel Millimeter pro Jahr ansteigen zu lassen. Das berichten Geophysiker im Wissenschaftsmagazin Science. Das Ausmaß der Gletscherschmelze sei demnach bislang deutlich unterschätzt worden und damit vielleicht auch der künftige Anstieg des Meeresspiegels.
Der größte Ölmulti der Welt, ESSO und sein Amerikanisches Mutterhaus Exxon, sieht keinen Zu-
sammenhang zwischen den aktuellen Klimaveränderungen und dem weltweite Ölkonsum, der 52 Prozent der gesamten Kohlendioxidemission ausmacht. 200 Milliarden Dollar Umsatz zu riskie-
ren, so blöd sind die nicht und mobilisieren ihre Lobbyisten gegen die Ratifizierung des internatio-
nalen Klimaschutzabkommens, des Kyoto-Protokolls. Ein greenpeace-LKW mit einer aufklappba-
ren Aufschrift gegen Essos Geschäftspolitik sorgt am Sonntag, 4. August, bei einer Protestaktion auf dem Marienplatz zwischen 10 und 16 Uhr für Aufsehen.
Das Umweltinstitut München veröffentlicht „Mobilfunkstrahlung – Wie schädlich ist Elektro-
smog?“ Außerdem unterstützt es die Petition der Zukunftsstiftung Landwirtschaft „Save our Seeds“ an die Europäische Kommission und kann 70.000 UnterstützerInnen gewinnen.2
Am Samstagmorgen des 30. November weisen zehn greenpeace-Aktivisten die Kunden des Tengel-
mann-Supermarktes in der Karlstraße 46 auf Produkte des italienischen Putenherstellers Agricola Italiana Alimentare (A.I.A.) mit einem Transparent und Flugblättern hin: Die Tiere werden mit genmanipuliertem Soja gefüttert, in ihren Knochen stecken immer noch Rückstände des Antibioti-
kums Tetracyclin, das in der Massentierhaltung eingesetzt wird. Aufkleber markieren mit dem Fuss einer Pute den Weg vom Eingang zum Kühlregal. greenpeace wirft dem Handelsunterneh-
men die Irreführung von Verbrauchern vor. Am Samstag, 14.12, wiederholt greenpeace die Aktion in den drei Kaufhof-Filialen am Marienplatz, am Stachus und am Rotkreuzplatz.
In den letzten 15 Jahren ist die Zahl der zugelassenen Autos in der Stadt von 540.000 auf 780.000 gestiegen und hat mittlerweile die 800.000-Marke übertroffen; im gleichen Zeitraum konnte der MVV seine Fahrtgastzahl nur von 474 Mio. auf 540 Mio. steigern.
(zuletzt geändert am 20.4.2019)
1 Süddeutsche Zeitung vom 23. Mai 2002.
2 Siehe www.umweltinstitut.org.