Flusslandschaft 2003
Kunst/Kultur
BIBLIOTHEKEN
Am 28. September stimmen Münchnerinnen und Münchner über den Erhalt von Stadtteilbiblio-
theken ab. Zwar votieren 69,4 Prozent mit Ja, bei einer Beteiligung von 12,9 Prozent fehlen aber 9.713 Ja-Stimmen, denn es müssen mindestens 10 Prozent der Stimmberechtigten mit Ja abstim-
men.
BILDENDE KUNST
Die US-Regierung Bush plant einen Krieg gegen den Irak. Vom 7. bis 9. Februar sind beim „Bom-
berprojekt“ sechzig Fenster der Südseite der Münchner Akademie der Bildenden Künste mit Bom-
bensilhouetten bestückt, im Mittelbau flackert Stroboskop-Licht. „Etwas diffiziler dann ein zweites Projekt, bei dem aber die Münchner Presse nicht ganz mitspielte: Ein Foto des blutrot angeleuch-
teten Siegestors sollte veröffentIicht werden, als Ankündigung für eine Lichtinstallation der Aka-
demie. Eine Aktion, die gar nicht stattfinden wird — das Foto sollte nur zeigen, wie sehr im Krieg mit Bildern, vermeintlich Realität vorgaukelnd, gelogen und die öffentliche Meinung manipuliert wird.“1
„In der Kunsthalle Lothringer 13 / Laden kann der Demonstrierwillige die Stärke seines Nervenko-
stüms überprüfen – vor dem eventuellen Extremfall während der Sicherheitskonferenz. Martin Schmidt-Schweda, Matthias Loewy und Michael Erhard simulieren auf Einladung der Program Angels das klaustrophobische Erlebnis, armseliges Würstchen in einem Polizeikessel zu sein. Die eigens für die Arbeit an der audiovisuellei Installation ‘Sichere Freiheit’ zusammengeschlossenen Künstler und Computerexperten sind Mitglieder der immer in wechselnden Konstellationen auf-
tretenden Ego-Group, wobei Ego für ‘Erfo1g Gegen Ökonomie’ steht. Jeder, der die Ladengalerie betritt, wird sogleich zum Gefangenen einer rund um den Raum aufgebauten Polizistenkette.“2 Die Ausstellung läuft bis zum 23. März.
„Schöner Scheitern – Selbsthilfe- und Performancegruppe“ von Michi Matthes, Philipp Catterfeld und Friedrich Buhl, gegründet 2003 mit Auftritten bei den „program angels/lothringer13“, auf dem Marienplatz und bei „annapril“. Selbstbeschreibung: „‚Schöner Scheitern’ wendet sich an alle vom Scheitern bedrohte Kreative und Innovative. Die Künstlergruppe nimmt den Selbsthilfegedan-
ken auf, um Betroffene wieder zum Lachen zu bringen und Misserfolge positiv zu definieren.“3
THEATER
Das Baureferat legt am 9. April einen ausführlichen Untersuchungsbericht über den Zustand des Deutschen Theater vor. Sein Fazit: Generalsanierung in den Jahren 2006 bis 2012, bis dahin wä-
ren jedoch Sofortmaßnahmen in Millionenhöhe erforderlich. Kosten: Zusammen 134 Millionen €uro. Da die Stadt so viel Geld nicht hat, solle zur Vermeidung weiterer Kosten das Theater bereits Ende 2003 geschlossen werden. Dagegen erhebt sich in der Öffentlichkeit ein Sturm der Entrü-
stung: Eine Generalsanierung sei gar nicht nötig, mit Teilmaßnahmen käme man auch noch ein paar Jahre über die Runden. Initiativen zur Rettung des Theaters werden gegründet, Unterschrif-
ten für ein Bürgerbegehren gesammelt. Die „Stadtväter“ rudern zurück, bis Ende 2004 bleibt das Deutsche Theater geöffnet.
Musiktheater „Unser Oskar – Eine Sprachoper für Oskar Maria Graf“ von Andreas Ammer und Sebastian Hess, mit Sepp Bierbichler, Andreas Ammer (Laptop), Bachhauser Blasmusik u.a. „O.M. Graf hat zeitlebens viel für seinen Ruf als bayerischer Sturschädel getan. Den Frauen der Münch-
ner Bohème rief er zu: ‚Mehr Erotik bitte’. Für Adolf Hitler hatte er nur die Bitte: ‚Verbrennt mich!’ übrig. Als er zu einem Kurzbesuch aus dem Exil nach München zurückkehrte, gab es einen Skan-
dal, weil er im ehrwürdigen Cuvilliés-Theater seine Lederhosen nicht ausziehen wollte.“ Cuvilliés-Theater in der Residenz, Mittwoch, 30. Juli, und Donnerstag, 31. Juli, jeweils 20.30 Uhr.
VOLKSMUSIK
Aufstand der Krachledernen: Otto Dufter, Vorstand des Gauverbandes I im Bayerischen Trachten-
verband, reichts.4
„DUFTERS GUTE SACHE – Trachtenkrieg. Es wurde aber auch Zeit, dass Maria Mathis Otto Duf-
ter widerspricht. Er ist bekanntlich Vorstand des Gauverbandes I im Bayerischen Trachtenverband und teilte jüngst in der Jungle World mit, dass Mitglieder seines Verbandes nicht in Volksmusik-
sendungen des Fernsehens auftreten dürfen. Sie hingegen ist Moderatorin der Sendung »Im Stadl«, die bekanntlich jeden Sonntag von 20.15 Uhr bis 22.15 Uhr auf 9live zu sehen ist. Dufters Entscheidung sei ein Fehltritt, schreibt Mathis an Dufter, und »ich muss mich fragen, ob Sie überhaupt kompetent sind, die Sache der Volksmusikanten ‚artgerecht’ zu vertreten«. Die Künst-
lerin, die 1988 mit »Bring me Edelweiß« ihren Durchbruch als Sängerin schaffte, erinnert Dufter daran, dass der Bundespräsident am 9. November Deutschland als ein »Land der Freiheit und Toleranz« bezeichnete, und nun hofft Mathis, »dass Sie sich einmal mit dem Bundespräsidenten treffen«. Und das muss sie Dufter auch noch auf den Weggeben: »Eigentlich sollte man alte echten Volksmusikanten zum Aufstand gegen Sie aufrufen, denn egal in welcher TV-Sendung, jeder Musi-
kant im TV ist ein guter Musikant, weil er seine Sache aufrichtig vertritt. Es gibt nur gute und schlechte Führer.« Es ist wohl gerade die Zeit, dass Maria Mathis das sagt.“5
(zuletzt geändert am 16.3.2020)
1 Süddeutsche Zeitung vom 7. Februar 2003.
2 A.a.O.
4 Siehe https://jungle.world/artikel/2003/45/so-tuemeleien.
5 Jungle World 48 vom 19. November 2003, 23.