Flusslandschaft 2003

Medien

Das Bürgerbegehren über die Frage „Sind sie dafür, dass keine Stadtteilbibliothek in München geschlossen wird?“ ist auf den 28. September festgesetzt. Die Initiative hat 27.000 Unterschriften gesammelt und so die Abstimmung ermöglicht. Sollte das Bürgerbegehren erfolgreich sein, so muss der Stadtrat nicht nur seine Schließungspläne begraben, sondern auch die schon liquidierten Bibliotheken in Solln und der Au wieder öffnen. Zwei Positionen sind erkennbar. Die einen warnen, dass die Stadt die erforderlichen 3,6 Millionen Euro vermutlich an anderen Stellen einzusparen versucht, die anderen meinen, nicht nur München, alle Städte hätten mehr, wenn die Großkonzerne wieder richtig besteuert würden. Außerdem werde mit gerade mal 21 Milliarden Euro der erste Eurofighter in Dienst gestellt und die aktuelle Aufrüstung betrage 113 Milliarden Euro. Da sei es eine Sauerei, „wenn man uns die Stadtteilbibliotheken wegnimmt“.

Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner IFO-Instituts und in den Medien als „Deutschlands klügster Ökonom“ gefeiert, verneint in seinem Buch „Ist Deutschland noch zu retten?“ diese rhetorische Frage, da die Gewerkschaften zu stark seien, das Lohnniveau zu hoch und der Sozialstaat überbordend. Sinn wird zum Chefpropagandisten des Neoliberalismus; in allen Sendern und Gazetten taucht er auf. „… Der Schönheitsfehler: Bei einer Grafik, die das Menetekel belegen sollte, hatte ein Mitarbeiter Sinns Deutschlands Import- und Exportzahlen verwechselt und war so zur negativen Bewertung gekommen. Laut Handelsstatistik war Deutschland in jenem Jahr jedoch erstmals wieder Exportweltmeister. Obwohl die Behauptung Sinns ganz offensichtlich falsch war, sei sie medial stark aufgegriffen worden – gravierende Folgen für Bürger und Wirtschaft. Jahrelang … habe die Berichterstattung über die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wesentlich dazu beigetragen, dass Lohnzurückhaltung betrieben und der staatliche Sektor immer weiter zurück gedrängt worden sei …“1


1 Menschen – Machen – Medien. Medienpolitische ver.di-Zeitschrift 8 vom Dezember 2012, 9 f.