Flusslandschaft 2008
AusländerInnen
„Unter dem Namen ‚ABU.ISAR – Boot-Camp für 48h’ will die Projektgruppe ‚DIE ERZIEHUNGS-
BERECHTIGTEN’ einen Container und dazugehörigem umzäunten Hof zu einem sogenannten ‚Erziehungslager’ umgestalten und 48 Stunden unter realistischen Bedingungen (orginaler Tages-
ablauf, orginale Übungen) am Marienplatz postieren. Die Veranstaltung wird voraussichtlich von Donnerstag, den 24. Januar 2008, ab 18.00 Uhr bis Samstag, den 26. Januar 2008, ab 18.00 Uhr stattfinden. Im Rahmen einer Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag werden die 8 jugendlichen ‚Delinquenten’ in ABU.ISAR eingeliefert, begleitet von künstlerischen Aktionen und einigen Red-
nern. Die nächsten 48 Stunden werden die Jugendlichen nun im Boot-Camp verbringen. Der mit WebCams ausgestattete Container ist nun die folgenden 2 Tage sowohl am Marienplatz wie auch im Internet zu besichtigen. Mehrere ‚Delinquenten’ werden von einem Aufseher gedrillt. Sie müs-
sen demütigende Arbeiten verrichten (wie z.B. einen Sandhaufen von A nach B schaufeln, nur um ihn danach wieder zu Punkt A zu schaufeln). Ein wesentliches Moment der Veranstaltung ist die Interaktion mit dem Publikum. Diese wird ebenfalls mittels WebCams und einigen Interviews auf-
gezeichnet. Das Ende der Aktion ist für Samstag Abend, also kurz vor Beginn der Hessenwahl, ge-
plant. Zum Hintergrund: Immer mehr rechts gesinnte Politiker, das Spektrum reicht von CDU bis NPD, fordern neuerdings das Jugendstrafrecht zu verschärfen sowie Abschiebungen zu erleichtern. In diesen Tagen sind der Phantasie, verfolgt man die Diskussion in der Tagespresse, keine Grenzen gesetzt. Anhand einzelner Vorfälle wird durch eine breit angelegte Medienkampagne eine Notwen-
digkeit zu repressiverem Umgang mit Jugendlichen suggeriert. So lautet ein Ausspruch von Gau-
weiler: „Deutschlands Sicherheit wird in der Münchner U-Bahn verteidigt“. Auf die Spitze getrie-
ben hat es der Vorschlag, Boot-Camps nach amerikanischem Vorbild zu errichten. Solche Boot-Camps sind nicht mit der Würde des Menschen vereinbar! Der Sinn und Zweck besteht darin, Ju-
gendliche mittels Gewalt und demütigender Arbeit zu brechen und unterwürfig zu machen. Zuneh-
mend ist auch ein rassistischer Hintergrund solch repressiver Politik erkennbar. So wird bei Ge-
walttaten von Jugendlichen mit Migrationshintergrund explizit auf diesen verwiesen. Ein gefun-
denes Fressen für Roland Koch, Günther Beckstein sowie für die Nazis von Pro München bis zur Bürgerinitiative Ausländerstopp, eine Tarnorganisation der NPD. Sie alle appellieren an niederste rassistische Ressentements und hoffen dadurch bei den anstehenden Landtags- und Kommunal-
wahlen mehr Stimmen für sich zu gewinnen. Dass München, die Stadt mit dem zweithöchsten Mi-
granten-Anteil Deutschlands, eine der sichersten Großstädte Europas ist, wird mit keinem Wort erwähnt. Letzter Höhepunkt ist ein Wahlplakat des OB-Kandidaten der CSU-München, auf dem Bilder des ursprünglichen Vorfalls in der Münchner U-Bahn zu sehen sind. Da aus den Statistiken kein nennenswertes Ansteigen der Jugendgewalt zu folgern ist, hat ein solches Handeln keine Grundlage. Wieder einmal erleben wir, wie durch die Verbreitung von unbegründeten Ängsten versucht wird, eine repressive Politik zu rechtfertigen. Wir sind der Ansicht, dass gegen diese Hetze Zeichen gesetzt werden müssen. Da wir der BILD-Zeitungspropaganda über die üblichen medialen Wege nur wenig entgegenzusetzen haben, planen wir in einer Aktion noch Ende Januar ein Boot-Camp am Münchner Marienplatz zu errichten. Durch diese Aktion soll deutlich gemacht werden, unter welchen Bedingungen Jugendliche in derartigen Boot-Camps leben und leiden müssen, so-
wie der repressiven Propaganda ein Riegel vorgeschoben werden. Dies wollen wir erreichen, indem wir den Verfechtern solcher Politik die geforderte Realität vorführen und die Münchner und Münchnerinnen zu konkreten Reaktionen herausfordern …“1
„Mit dem Motto ‚Geschichte erinnern – Zukunft gestalten’ laden das ‚Projekt Sinti’, der Club Ha-
senbergl und die MADHOUSE GmbH im Norden Münchens zu einer Veranstaltung am 30. Mai ein; neben dem Auftritt des Zeitzeugen und Holocaust-Überlebenden Hugo Höllenreiner zählen die Ankündigung eines ‚Skulptur-Projekts’ und Live-Sinti-Musik zu den Höhepunkten für die Gäste. – Das Münchner ‚Projekt Sinti’ (Junge Arbeit, Diakonie Hasenbergl) informiert in einem Mitteilungsblatt im September über seine Aktivitäten (Hilfe bei Führerscheintheorie und Alphabe-
tisierung, Computerkurse, handwerkliche Workshops, Beratungsgespräche zu sozialen Problemen und Beruf) und über die Anzahl betreuter bzw. erreichter Angehöriger der Minderheit (250 Bera-
tungsgespräche, 6 offene Veranstaltungen mit bis zu 200 Besuchern).“2
„Noch immer fehlen konkrete Regelungen für Sinti und Roma in Deutschland, die Schutz und För-
derung rechtsverbindlich festlegen; während die nationale Minderheit der Friesen bereits 1955 in einem deutsch-dänischen Vertrag und nach der deutschen Wiedervereinigung auch die Sorben in Sachsen und Brandenburg diesbezüglich Anerkennung erlangten, existieren noch keine gleichwer-
tigen Festlegungen für Sinti und Roma in der Bundesrepublik Deutschland.“3 – „In München existiert seit mehreren Jahrzehnten das ehrwürdige ‘Südostinstitut’, dessen hochkarätige Mitar-
beiter, alle Spezialisten ihres Faches, die Geschichte und Gegenwart Ungarns, Sloweniens, Kroa-
tiens, Bosniens, Serbiens, des Kosovo, Montenegros, Albaniens, Makedoniens, Rumäniens, Bul-
gariens und Griechenlands jeweils mit Schwerpunkt Minderheitengeschichte erforschen;. weder in der Landeshauptstadt selbst noch in einer anderen bayerischen Stadt sind hingegen Institute oder Universitätslehrstühle beheimatet, die sich auf die Geschichte oder Kultur der heimischen Sinti und Roma spezialisiert haben; es gibt ferner bis heute kein Buch, das sich der bayerischen ‘Zigeu-
ner’-Geschichte von ihren Anfängen bis zur Gegenwart widmet; warum wohl nicht?“4
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Am 28. September sind Landtagswahlen. Manche Parteien verblüffen mit ihren Kandidaten, deren Wurzeln nicht altbairisch zu verorten sind. Das Plakat der Bayernpartei steht an der Stösserstraße im Hasenbergl, das Plakat der REPs ist an der Kreuzung Mittlerer Ring/Leopoldstraße zu sehen.
2 Robert Schlickewitz, Sinti, Roma und Bayern. Kleine Chronik Bayerns und seiner „Zigeuner“, 2008, www.sintiromabayern.de/chronik.pdf, 189 ff.
3 A.a.O., 192.
4 A.a.O.
5 Fotos: Franz Gans