Flusslandschaft 2008

Kunst/Kultur

Auszubildende im Tempel der Hochkultur am Gasteig empören sich im Frühjahr 2008 über die Äußerungen der Geschäftsführerin Brigitte von Welser. Mit dem Projekt „Junge Akademie Gasteig“ will der Gasteig junge Menschen an die Hochkultur heranführen. Welser geht es darum, jungen Menschen mit nichtakademischem Hintergrund den Zugang zur Kultur zu erleichtern. Sie verkündet: „Wir heißen die Auszubildenden herzlich willkommen im kulturellen Neuland.“ Durch das Projekt erhielten die Lehrlinge „bessere Voraussetzungen zur aktiven Teilnahme an Kunst und Kultur – jenen beiden Bildungsbereichen, die ihnen in ihrer bisherigen Biografie verschlossen beziehungsweise ihnen nicht möglich waren“, heißt es in einer Pressemitteilung des Gasteigs. Welser lädt die jungen Menschen ein, „etwas über Kunst und Kultur zu lernen, das sie in ihrem Leben zusätzlich zur fachlichen Ausbildung sehr gut brauchen können – um quer zu denken, um die Welt ab und zu anders wahrzunehmen, um mit Freunden auch mal ungewöhnliche Gespräche zu führen …“

„Die Außenseiter, die Ketzer und Rebellen, die Kranken und Durchgeknallten, die Nestbeschmutzer und Volksschädlinge begründen den Ruhm des Abendlandes und seine Hochkultur. Das sollten sich die humorlosen Befehlsempfänger, die Gesundheitsreformer und die biederen Anpassungsfetischisten schon sagen lassen.“1

THEATER

Eigentlich ist es eine Schande, dass die Münchnerin Olga Benario in Brasilien sogar im Schulunterricht vorkommt, während in München kein Mensch von ihr Kenntnis nimmt, keine Straße nach ihr benannt ist, nichts an sie erinnert. Die SchauBurg/Theater der Jugend setzt ihr dafür in einem Stück von Mayra Capovilla und Damaris Nübel ein höchst eindrucksvolles Denkmal. In der im Foyer gezeigten Ausstellung und bei der Premiere am 13. November lernen Zuschauerinnen und Zuschauer eine bemerkenswerte und höchst mutige und engagierte Frau kennen. Olga Benario ist 1908 geboren, befreit in den 20er Jahren in einer spektakulären Aktion ihren Lebensgefährten Otto Braun aus dem Berliner Knast, wird 1934 aus der Sowjetunion mit Luis Carlos Prestes, einem früheren Hauptmann der Brasilianischen Armee, nach Brasilien geschickt, um dort gemeinsam mit ihm die Revolution vorzubereiten. Der Putsch vom 27. November 1935 gegen das diktatorische Regime von Vargas scheitert, und Olga muss mit Prestes untertauchen. 1936 wird sie verhaftet und vom Polizeichef in Rio de Janeiro hochschwanger an die Gestapo ausgeliefert, indem er sie auf ein deutsches Schiff bringen lässt. Der Kapitän verweigert den Transport der Hochschwangeren zunächst, allerdings letztendlich erfolglos. Ihre Tochter kommt im Frauengefängnis Barnimstraße in Berlin zur Welt. Auf internationalen Druck übergibt die Gestapo den Säugling an Olgas Schwiegermutter Leocadia Prestes. 1942 wird Olga Benario in der NS Tötungsanstalt Bernburg vergast.


1 Manfred Ach, Für die Katz. Ketzereien vom Mönch, München und Wien 2008, 3858.