Flusslandschaft 2008

Schwule/Lesben

Im Januar spricht der schwule Bundestagsabgeordnete Volker Beck auf einer Wahlkampfveran-
staltung der Grünen im Zunfthaus in der Thalkirchner Straße 76. Dazu erscheint ein Flugblatt, das Herrn Beck kritisch unter die Lupe nimmt.1

„13. Juni: Der CSU-Abgeordnete Herbert Ettengruber, Vorsitzender des Ausschusses ‚Innere Si-
cherheit’ im bayerischen Landtag bezeichnet die Parade beim ‚Christopher Street Day’ (CSD) als ‚unappetitliche Veranstaltung’. Später entschuldigt er sich für diese diskriminierende Aussage.“2

Samstag, 12. Juli: Dietmar Holzapfel, der Wirt der Deutschen Eiche, hat schon wieder einen kir-
chenkritischen Wagen zum Umzug des Christopher-Street-Day, dessen Motto „Brücken bauen – zu jedem Ufer“ lautet, beigesteuert. Es war von Seiten des Kreisverwaltungsreferats empfohlen worden, den Wagen VORHER zu beschreiben, damit sich ein Fall wie 2006 nicht noch einmal wiederhole. Der Staatsschutz observiert, filmt und fotografiert trotzdem, aber er greift nicht ein. – „12. Juli: Auch in diesem Jahr nutzt die Münchner Neonaziszene das Bühnenprogramm des CSD (Christopher Street Day) am Münchner Marienplatz für eine Störaktion. Mindestens zehn vorwie-
gend männliche extreme Rechte halten zu Beginn der Rede von OB Christian Ude (SPD) weiße Plakate mit provokativen Slogans in die Höhe. OB Ude reagierte in seiner Rede als Schirmherr des CSD darauf mit Souveränität – und mit dem Aufruf ans Publikum, sich nicht zu Gewalt provozie-
ren zu lassen. Die Aufschriften der Plakate richten sich in erster Linie gegen den Auftritt des CSD-
Schirmherrn Ude, aber auch die sexuelle Orientierung von Ude und seiner Frau sind Zielscheibe der beleidigenden Agitation auf den dümmlichen Plakaten. ‚Ist Christian Ude schwul?’ heißt es da, oder: ‚Ist Edith von Welser-Ude lesbisch?‘. Weitere Plakate drehen sich um die familienpolitischen Anliegen der Neonazis: Mit Aufschriften wie ‚Familie = Vater + Mutter + Kind’ oder ‚Toleranz mit Grundwerten’ wählten die Neonazis Slogans rund um das klassisch-konservative Familien- und Gesellschaftsbild. Gleichzeitig transportieren die Rechten damit ihr aktuelles Steckenpferd, den Kampf gegen die variable Geschlechterrollenverteilung und das ‚Gender Mainstreaming’. Homo-
phobe Parolen überwiegen auf den Plakaten jedoch, etwa mit Aufschriften in typischer perfider Täter-Opfer-Verdrehung: ‚Therapie für Heterophobie’. Nicht zuletzt richtet sich die Störaktion von ganz rechts klar gegen den politischen Kern der schwullesbisch-transsexuellen Veranstaltung. Auf Nazi-Parolen wie ‚Keine Zwangshomosexualisierung’ oder ‚Keine Provokation mit Adoption’ rea-
giert das Publikum jedoch beherzt und entreißt den Rechten teilweise die Plakate. Unter Pfiffen und ‚Nazis raus’-Rufen der CSD-TeilnehmerInnen wird die rechte Gruppe von der Polizei nach
ca. zehn Minuten aus der Menge entfernt und erhält Platzverweise. Die Polizei ermittelt wegen Beleidigung und des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, eventuell wird die neonazistische Provokation als nicht angemeldete Demonstration eingestuft. Unter den Neonazis auf dem Ma-
rienplatz befinden sich Kameradschaftsmitglieder der Kameradschaft Erding, Mitglieder der Freien Nationalisten München und der NPD, wie Philipp Hasselbach, Mike Nwaiser und Sven Grams, auch Norman Bordin bezichtigte sich am nächsten Tag selbst, an der Störaktion teilge-
nommen zu haben. Einen Tag nach dem Vorfall veröffentlichen die Freien Nationalisten München einen Bericht über die Aktion auf ihrer Homepage. Mit verhetzenden Phrasen sparten die Neonazis dabei nicht, z.B. schreiben sie von ‚zahlreichen AIDS-Kranken’.“3

Zum ersten Mal wird beim CSD an lesbische und schwule Opfer des NS-Regimes erinnert. Am Ende der Veranstaltung steigen 300 schwarze Luftballons in den Himmel. An jedem Ballon ist
eine Karte befestigt, auf der eine Kurzbiografie eines Opfers zu lesen ist.


1 Siehe www.queerkafe.blogsport.de/texte-und-flugblaetter/volker-beck/

2 www.aida-archiv.de

3 A.a.O.