Flusslandschaft 2010

Bürgerrechte

19. Januar, 22 Uhr: Etwa 30 Personen demonstrieren vom Rotkreuzplatz zum Mittleren Rimg. Sie protestieren gegen das „Vorgehen der staatlichen Behörden in Dresden und Berlin“.1 Ein Fakean-
ruf hat die Polizei inzwischen zum Gärtnerplatz gelockt.

Am 28. Juni stellt das Verwaltungsgericht München fest, dass die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle e.V. (a.i.d.a. e.V.) zu Recht unter der Rubrik „Sonstige Linksex-
tremisten“ im Verfassungsschutzbericht 2008 enthalten sei. Dem Verein wird die Gemeinnützig-
keit entzogen, er wird aus dem bayerischen Jugendring ausgeschlossen, finanzielle Mittel der dort ansässigen Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus werden verweigert. Nach Pro-
testen muss dieser Eintrag dennoch gestrichen werden. a.i.d.a. erhebt gegen die vom Verfassungs-
schutz erhobene Einstufung als „linksextremistisch“ Klage. In der zweiten Instanz vor dem Bayeri-
schen Verwaltungsgerichtshof
am 23. September 2010 erreicht der Verein zwar einen Erfolg, doch bis dato hat der Bayerische Jugendring die auf Druck des Verfassungsschutzes abgebrochenen Ar-
beitsbeziehungen nicht wieder aufgenommen.

In vielen deutschen Buch- und Infoläden kommt es nach Durchsuchungsbeschlüssen vom 13. Juli zu Hausdurchsuchungen. Auch das Kafe Marat im Tröpferlbad in der Thalkirchnerstraße im Schlachthofviertel wird durchsucht, um Exemplare der Interim und Radikal zu beschlagnahmen. Begründet wird das Vorgehen der Exekutive mit dem § 130a StGB „Anleiten zu Straftaten“ in Ver-
bindung mit § 40 WaffenG (Verbotene Waffen inklusive des Verbots, solche herzustellen oder zur ihrer Herstellung aufzufordern). Die Staatsanwaltschaft behauptet, die Beschuldigten hätten die Ausgaben der inkriminierten Publikationen selbst ausgelegt und seien über den Inhalt informiert gewesen. Die Vorwürfe „Aufforderung zu Straftaten“ und „Verstoß gegen das Waffengesetz“ wer-
den nun nicht nur gegen die Redaktion der Zeitschriften, sondern gegen Buchhändler und Laden-
betreiber erhoben! Sie sollen für den Inhalt der von ihnen vertriebenen Schriftstücke verantwort-
lich gemacht werden. Es geht aber auch darum, die Szene zu durchleuchten, indem die Staatsan-
waltschaft dazu ermächtigt wird, Läden, Computer und Wohnungen durchsuchen zu lassen. — Am 10. November sucht die Polizei die Nummer 718 der Publikation Interim im Kafe Marat.2

Am Abend des 30. September demonstrieren etwa 80 Menschen gegen „Stuttgart 21“ und die Repression gegen die dortigen Proteste. Mit Parolen wie „Stuttgart, Bullenstadt, wir haben dich zum kotzen satt“ ziehen sie vom Marienplatz durch die Innenstadt über den Stachus bis zum Hauptbahnhof.


1 https://linksunten.archive.indymedia.org/node/15916/index.html

2 Siehe „transparent“ von Felicitas Hübner; vgl. www.luzi-m.org.

Überraschung

Jahr: 2010
Bereich: Bürgerrechte

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