Flusslandschaft 2010
Internationales
- Allgemeines
- Israel/Palästina
- Haiti
- Kanada
- Österreich
- Griechenland
- Bahrain
- Uganda
- Chile
- Türkei und Kurdistan
Allgemeines
Der Schweizer Soziologe Jean Ziegler: „Die Goldberge steigen im Westen und die Leichenberge
im Süden. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren, 47.000 Menschen sterben jeden Tag an Hunger und mehr als eine Milliarde Menschen, fast ein Sechstel der Menschheit, sind permanent schwerst unterernährt. Das Finanzkapital hat sich autonomisiert. Auf den Finanzplät-
zen der Welt zirkulieren täglich gemäß Weltbankstatistik cirka 1.000 Milliarden Dollar, die ihre monetäre oder juristische Identität wechseln. Davon sind nur 13 Prozent wertschöpfendes Kapital wie eine Investition oder Bezahlung für eine Warenlieferung. 87 Prozent sind reines Spekulations-
kapital. Die Oligarchen dieses Spekulationskapitals, vollständig losgelöst von irgendeiner Realwirt-
schaft, beherrschen die Welt. Die haben eine Macht, wie sie in der Geschichte der Menschheit nie ein König, Kaiser oder Papst gehabt hat. Nach Weltbankstatistik haben die 500 größten transkon-
tinentalen Privatkonzerne 2009 52 Prozent des Weltbruttosozialproduktes kontrolliert. Diese Kon-
zerne funktionieren ausschließlich nach dem Prinzip der Profitmaximierung, was auch normal ist.“1
Die „Gruppe der 8“ (USA, Russland, Kanada, England, Frankreich, Japan, Italien, Deutschland) fasst die größten Industrienationen der Welt zusammen, beherrscht zwei Drittel des Welthandels und konferiert auf dem jährlich stattfindenden „Weltwirtschaftsgipfel“. Der G8-Gipfel in Hunts-
ville, Kanada, ist das 36. Gipfeltreffen der Regierungschefs dieser Länder vom 25. bis 26. Juni 2010. Der Welthandel dieses exklusiven Clubs braucht Frieden und Freiheit, die zur Not auch er-
zwungen werden müssen.2
Die Broschüre „Münchens Kolonialviertel. Deutsche Kolonialgeschichte und die Auseinanderset-
zung um Münchner Straßennamen“ erscheint in einer Auflage von 500 Exemplaren, die inner-
halb von wenigen Monaten vergriffen ist.3
Oft sind es einzelne Menschen, die mit ihrem Engagement viel bewegen. Journalisten helfen Journalisten (JhJ), der Münchner Verein, der sich dafür einsetzt, dass weltweit das Menschen-
recht der Presse- und Informationseinheit verteidigt bzw. ausgebaut wird, bedankt sich bei Frauke Ancker vom Bayrischen Journalistenverband für ihre unermüdliche Unterstützung.4
Siehe auch „Militanz“.
ISRAEL/PALÄSTINA
Die Frauen in Schwarz veranstalten am 18. Januar, Montag, von 13 bis 14 Uhr vor dem Richard-Strauss-Brunnen eine Protest-Mahnwache aus Anlass der gemeinsamen deutsch-israelischen Kabinettsitzung in Berlin.
Am 24. Februar will Norman G. Finkelstein im Amerikahaus über „Wurzeln des Konflikts, Chancen für den Frieden sprechen.“ Angehörige der jüdischen Gemeinde setzen das Amerika-Haus unter Druck. Schließlich sagt dieses die Veranstaltung ab: Rechtsextreme Kräfte könnten anreisen.
Am Donnerstag, 25. Februar, will, veranstaltet von Salam Shalom, Palästina-Komitee, Palästi-
nensische Gemeinde München und Club Voltaire, Norman G. Finkelstein im Kulturhaus Milberts-
hofen am Kurt-Mezger-Platz 1 einen Vortrag halten mit dem Titel „Gaza: Eine Analyse der israeli-
schen Invasion und ihrer Konsequenzen“. Der Raum wird auf Intervention der Deutsch-Israeli-
schen Gesellschaft von der LHS München gekündigt.
Am 16. März, Dienstag, veranstalten von 15 bis 16.30 Uhr die Frauen in Schwarz und das Munich American Peace Committee zum 7. Jahrestag des gewaltsamen Todes von Rachel Corrie auf dem Marienplatz eine Mahnwache.
Die Palästinensische Gemeinde München e.V. organisiert für den 24. März, Mittwoch, eine Palästi-
na-Solidaritätskundgebung von 16 bis 18 Uhr vor dem Richard-Strauss-Brunnen.
Am 31. Mai, Montag, kommt es um 14 Uhr auf dem Marienplatz zu Spontandemonstration anläß-
lich der Enterung der “FreeGaza”-Flotille, die Hilfsgüter in den von Israel abgesperrten Gaza-Strei-
fen liefern wollte, durch israelische Streitkräfte.
Am Freitag, 4. Juni, protestieren Menschen von 17 bis 20 Uhr auf dem Marienplatz dagegen, dass das israelische Militär den Gaza-Hilfs-Konvoi aufgebracht hat. Eine “wandelnde Schilderkette” geht von 16 bis 17 Uhr zwischen dem Max-Joseph-Platz (Oper) und dem Marienplatz hin und her. Auf dem Flugblatt, das zur Demonstration aufruft, heißt es: „Bei unserer Kritik an der Politik Israels ist kein Platz für rassistische und nationalistische Positionen.“
Am 11. Juni, Freitag, findet auf dem Südteil der Theresienwiese um 15 Uhr eine weitere Kundge-
bung gegen den Angriff israelischer Militärs auf die Schiffe für humanitäre Hilfe für Gaza statt. Um 16 Uhr zieht eine Demonstration zur Abschlusskundgebung auf dem Stachus. Das deprimierende dabei ist, dass die Münchner Linke (arglos, ahnungslos oder ganz bewusst?) die türkisch-nationa-
listische Milli Görüş (auf deutsch: „Nationale Sicht“) als Unterstützerin der Demonstration zulässt.
Die Palästinensische Gemeinde München e.V. veranstaltet am 3. Juli, Samstag, eine Mahnwache „Freiheit für Palästina – Gegen den israelischen Überfall auf den Hilfskonvoi für Gaza – Solidarität mit den Menschen in Gaza“ auf dem Karlsplatz (Stachus).5
HAITI
Haiti wird im Januar von einem verheerenden Erdbeben heimgesucht. Die weltweite Spenden-
bereitschaft ist jetzt überwältigend. Zweifler weisen darauf hin, dass in Haiti, einem der ärmsten Länder der Welt, schon vor der Naturkatastrophe die Infrastrukturen zerstört waren, die ein Überleben nach dem Inferno eher befördert hätten. Die Katastrophe ist nicht Folge eines natür-
lichen Prozesses, sondern die logische Konsequenz aus der politischen Entwicklung Haitis, die mit der ersten Besetzung des Landes durch die USA 1915 eingeschlagen wurde. Zweifler bringen es auf den Punkt: Kapitalismus und Imperialismus zerstören über Jahrzehnte und Jahrhunderte Gesell-
schaften. Das alltägliche Elend aber interessiert die Öffentlichkeit in den Metropolen kaum. Erst wenn die Augenblickskatastrophe in den Focus der medialen Vermittlung gerät, entfaltet sich bür-
gerliches Mitgefühl. Eigentlich aber geht es darum, mit den Spenden Selbstzweifel zu beruhigen und Störungen auszublenden, um den Schein der heilen Welt wieder zu rekonstruieren.
KANADA
Die Aktionsgruppe Indianer und Menschenrechte (AGIM) führt eine Protestkampagne gegen die Olympischen Winterspiele in Vancouver (12. bis 28. Februar) durch, die auf indianischem Land stattfinden, ohne dass die Indianer je dazu gehört worden sind.6
ÖSTERREICH
Großbritannien ist die Heimat der Tierrechtsbewegung. Hier wirkt die Animal Liberation Front (ALF) konspirativ, befreit Tiere aus Tierversuchsanstalten und Massenzuchtfabriken. Auch in Österreich wirken Aktivisten, denen am 2. März der Prozess gemacht wird. In München demon-
strieren am selben Tag in den frühen Morgenstunden Sympathisanten vor dem Österreichischen Konsulat in der Ismaningerstraße 136.7
GRIECHENLAND
Als Griechenland 1981 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) beitrat, verfügte das Land über eine dynamische Industrie mit einer jährlichen Zuwachsrate von 7,4 Prozent, über eine Arbeitslosenquote von drei bis vier Prozent, über einen hohen Selbstversorgungsgrad und eine starke Landwirtschaft, in der 24,2 Prozent der Bevölkerung beschäftigt war.Von 2005 bis 2010 war Griechenland der größte Waffenimporteur aus Deutschland, indem es 15 Prozent der Gesamtpro-
duktion kaufte. 2010 gibt Griechenland eine Milliarde Euro für Waffenkäufe aus Frankreich und Deutschland aus. Durch den Kauf von Rüstungsgütern sorgt Griechenland für Beschäftigung der französischen und deutschen Arbeiter in der Rüstungsindustrie ihrer Länder. Dies geschieht in einer Zeit, als der Sozialetat im Rahmen des Austeritätsprogramms um 1,8 Milliarden Euro gekürzt wird. Im Mai 2010 wird die griechische Regierung dazu genötigt, ein Kreditabkommen zu unter-
schreiben, um die herrschende Krise zu bekämpfen. Durch Sparmaßnahmen soll der Abbau der Staatsschulden, die 2009 bei 129 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) oder 299 Milliarden Euro in absoluten Zahlen liegen, erzielt werden. Die versprochenen, von Experten prognostizierten Resultate und die als Folge dieser Maßnahmen vorhergesagte wirtschaftliche Erholung, die 2009 erstmals angekündigt wurde, bleiben aber aus. Industrien, Fabriken und Geschäfte schließen. Nach zwei Memoranden und einer eingestandenermaßen fehlerhaften Politik der EU, des Internationa-
len Währungsfonds und der griechischen Regierung steht Griechenland am Rande der Katastrophe mit einer Schuldenlast, die 2013 auf 175 Prozent des BIP oder 321 Milliarden Euro gestiegen ist. 2015 liegt diese um 180 Prozent des BIP. In griechischen Schulen fallen Kinder vor Hunger um. Es fehlen 5.000 Ärzte und 20.000 Krankenschwestern und Krankenpfleger. Für ein Drittel des grie-
chischen Volkes gibt es keine medizinische Versorgung mehr. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent. Verzweifelte Ladenbesitzer, die bankrott gegangen sind, und Familienväter, die ihre Angehörigen nicht mehr versorgen können, begehen Suicid. Den Deutschen wird weißgemacht, die aus Steuergeldern finanzierten Griechenlandhilfen kämen der griechischen Bevölkerung zugute. Tatsächlich fließen die Gelder zu den Banken, bei denen Griechenland Schulden hat.
Im Dezember vor zwei Jahren töteten Polizisten den Aktivisten Alexandros Grigoropoulos. Am Abend des 6. Dezember 2010 entfalten 20 AktivistInnen vor dem Landtag innerhalb der Bannmei-
le ein Transparent mit der Aufschrift „Wut und Trauer zu Widerstand – In Gedenken an Alexis“ und entzünden Pyros, verschwinden aber dann ruckzuck, bevor die Polizei eintrifft.
BAHRAIN
Menschenrechtsaktivist Abdulghani al-Chanjar wird in Bahrain im August festgenommen und ge-
foltert. Während seiner Verhöre werden ihm Auszüge aus verschiedenen SMS vorgelegt, die nur Dank deutscher Überwachungssoftware (Siemens, später die Münchner Firma Trovicor) abgefan-
gen werden konnten.8
UGANDA
In Uganda herrscht ein autokratisches Regime, das im September eine Delegation nach München schickt, um wirtschaftliche Kontakte zu pflegen.9
CHILE
»Solidarität mit den politischen Gefangenen in Chile: In der Nacht zum 25.09.2010 wurde das chi-
lenische Konsulat in der Innere Wienerstrasse 11a in München mit schwarzer Farbe angegriffen. Damit wollen wir den internationalen Soli-Aufruf unterstützen. Freiheit für alle revolutionären Ge-
fangenen in Chile: Freiheit für Felipe Guerra, Carlos Riveros, Vinicio Aguilera, Monica Caballeros, Andrea Urzua, Camilo Perez, Cristian Cancino, Diego Morales, Francisco Solar, Omar Hermosilla, Candelaria Cortez und Ivan Goldenberg! Für den sozialen Aufstand und für die Anarchie!«10
TÜRKEI und KURDISTAN
Türkei: 2010 werden 56.237 Männer und 6.880 Frauen im Rahmen der so genannten KCK-Opera-
tionen (KCK: Union der Gemeinschaften Kurdistans) gegen die kurdische Freiheitsbewegung an-
geklagt und fast 10.000 zu Haftstrafen verurteilt.
(zuletzt geändert am 28.2.2016)
1 Interview mit Ziegler im Neuen Deutschland vom 26. April 2010, 3.
2 Siehe „g8“ von Volker Derlath.
3 Siehe www.nordsuedforum.de.
4 Siehe „Aus der Schusslinie“von Carl Wilhelm Macke.
5 Siehe auch Sophia Deeg/Hermann Dierkes, Bedingungslos für Israel? Positionen und Aktionen jenseits deutscher Befindlichkeiten, Köln 2010.
6 Vgl. Coyote. Indianische Gegenwart. Entwicklungen – Hintergründe – Engagement, Sonderausgabe vom Januar 2010, „Internationales“ 2011 sowie www.agim-online.de/
7 Siehe „§ 278A“. Vgl. www.de.indymedia.org/2010/03/274694.shtml.
8 Siehe www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/handyueberwachung-deutsche-firma-soll-spaehtechnik-an-bahrain-geliefert-haben-a-782060.html und www.de.wikipedia.org/wiki/Trovicor.
9 Siehe „Aufruf“ von Regina Kiwanuka, Eric Bwire und Michael Ssalongo.
10 https://linksunten.archive.indymedia.org/node/25738/index.html