Materialien 1946
Davon ausgehend ...
dass in den Vereinigten Staaten heute gewisse Tendenzen zum Vorschein treten, die für eine be-
sondere Unterstützung einer der großen Parteien1 in Deutschland plädieren, wünschte der Frage-
steller von Ministerpräsident Dr. Högner zu wissen, wie er solchen Bestrebungen gegenüberstände. Dr. Högner gab seiner Meinung Ausdruck, dass diese besondere Förderung einer Partei in Deutschland durch die Vereinigten Staaten nicht erstrebenswert sei. Seines Erachtens sei es am besten, wenn Amerika an seiner Politik der absoluten Neutralität gegenüber allen deutschen Par-
teien festhalte. Man wird die Entwicklung der nächsten Monate und Jahre abwarten müssen, um zu einem Urteil darüber zu gelangen, ob Dr. Högner damit den Interessen seiner Partei und der politischen Zukunft Deutschlands genützt oder geschadet hat.
Ich hatte den Eindruck, als seien zumindest einige der amerikanischen Journalisten sehr gut über die bayerische Situation unterrichtet gewesen. Darauf lässt jedenfalls die Frage schließen, ob sich das Programm von zwei der drei großen politischen Parteien nicht soweit gleiche, dass es von bei-
den Teilen unterschrieben werden könnte. Der Vorwurf, den ich vor einigen Monaten bereits ge-
genüber allen Parteien erhoben habe – nämlich, dass sie in ihren Programmpunkten vielfach offe-
ne Türen einrennen und die Unterschiede in ihren Auffassungen nicht klar genug herausarbeiten – gilt nach den Eindrücken der heutigen Konferenz noch ebenso wie damals.
Herbert Gessner, Kommentare. Zweiter Band, München 1946, 72 f.
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1 Mit der Partei, die die US-Amerikaner ohne jegliche Bedenken im besonderen zu unterstützen beabsichtigten, ist natürlich die SPD gemeint.