Materialien 1948

Münchner Trümmerzeit mahnt: Die Bewohnbarkeit schützen!

Die städteplanerischen und architektonischen Resultate, die zunächst aus den Trümmerjahren
und der Wiederaufbauperiode, dann aus den Jahrzehnten des Wirtschaftswunders und der darauf folgenden Krise hervorgegangen sind und das gegenwärtige Bild Münchens über den alten Kern hinaus prägen, sind nicht sonderlich befriedigend. „Man wartet auf das Nachlassen des Wohn-
drucks auf die Ballungsräume und lässt derweil Architekten über ,Stadthäuser’ spinnen und Baudirektoren Feierabends Notwohnungen zeichnen. Die Bodenordnung bleibt unverändert.“ Gewiss, es hat Hausbesetzungen gegeben und es gibt einige Mieterinitiativen, mit denen sich Betroffene gegen Luxussanierung und Mietwucher wehren, und auch das Wahlergebnis vom März dieses Jahres mit massenhaften Stimmenverlusten der CSU und der FDP ist von daher mit moti-
viert; dennoch bleibt die Welle des Unmuts und gar des Widerstands zurück hinter dem Skandal, dessen keineswegs einsame Spitze der von Amts wegen geförderte „Baulöwe“ Schörghuber dar-
stellt. Ist also doch was dran an der atmosphärischen Erklärung: „Bei uns in Bayern, in München zumal, wirken alle Unsicherheiten auf merkwürdige Weise verschliffen, ja geradezu wattiert. Ein gnädiger, lodener und waschblauer Himmel spannt sich dämpfend übers Bayerisch-Besondere.“ (Beide Zitate: Chr. Hackelsberger in der Süddeutschen Zeitung vom 28./29. April 1984)

Dieses In-Watte-Packen der harten Kanten und Kontroversen fällt gewiss nicht vom Himmel; ich fand es auch im Stadtmuseum, bei der Ausstellung „Trümmerzeit. München 1945 – 1949“. Zum einen, und das ist immerhin positiv, haben sich die Veranstalter nicht den Klischees unterworfen, denen aus heutiger Rechts-Sicht unsere Erinnerungen an die Nachkriegsjahre folgen sollen: Man hat’s mit dem „Schicksalhaften“ jener Zeit, vorbildlich zugleich für die jetzige Überflussgesellschaft durch „Rückbesinnung auf das Wesentliche“; das Märchen von der gleichen Chance für Krupp und Krause – „Das Schönste an jener Zeit war, dass alle nichts hatten …“ – fehlt sowenig wie die Hor-
rorvision einer „Vereinigung der vier Zonen unter der Führung einer von Moskau gesteuerten Arbeiterklasse“, (Alles Zitate aus PZ, März 1984, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn)

Von derart verlogen-böswilliger Einlinigkeit halten sich das pluralistische Angebot und Arrangement der über 1.000 Exponate im Stadtmuseum ebenso fern wie die begleitenden Materialien: „Trümmerzeit in München“, 460 Seiten, und der weitere 184 Seiten umfassende Katalog zum Architekturteil der Ausstellung; „Aufbauzeit. Planen und Bauen München 1945 – 1950“.

Eben da beginnt der Zwiespalt meiner Gefühle. Ich habe die Nachkriegsjahre in München sehr bewusst miterlebt und ein Stück weit aktiv mitgestaltet; so finde ich mich auf einigen Fotos bei der Gewerkschaftsarbeit wieder, und vor allem: ich sehe Zusammenhänge quer durch die verwirrend reichhaltigen Angebote aus der Fülle dessen, was damals als Erinnerungsstück an den Alltag aufbewahrt, fotografiert, in Bildern, Plastiken und Plakaten gestaltet, geschrieben und gedruckt worden ist, Wie aber wirkt das auf einen Betrachter, der in diesem unbekannten Abschnitt der eignen Geschichte erst noch nach dem roten Faden sucht, der daraus gar Schlüsse für heute ziehen möchte? Ich habe die Reaktionen aufmerksam beobachtet. Mit den Katalogen läuft kaum jemand herum; die Gegenstände selbst aus Blech, Holz oder Uniformteilen, wirken rührend bis komisch; die städtebaulichen Planungen sind zumeist wohl nur für Fachleute ablesbar; die Resultate des Aufbaus vor allem in der Innenstadt werden eher als Bestätigung des hier Geleisteten empfunden, gerade im Vergleich etwa mit dem nachkriegszerstörten Frankfurt. Was beim Rundgang durch die Ausstellungskojen überwiegt, sind offene Fragen – wie auch nicht, wenn da unkommentiert in einer Vitrine Protagonisten und Antagonisten des kalten Kriegs, ein Koestler-Pamphlet und die linke kulturpolitische Zeitschrift „Die Nation“, beisammen liegen? Oder: In einer Diaserie er-
scheint neben Kardinal Faulhaber ein bärtiger Herr. Dass es Kultusminister Hundhammer ist, erfährt man sowenig wie seine Rolle bei der konfessionellen Spaltung der Schule, beim Prügel-
erlass oder beim Verbot des „Abraxas“-Balletts von Werner Egk; dazu habe ich das Plakat der Staatsoper und ein Bühnenfoto gesehen, aber nicht die Zensurverfügung, über die im Katalog durchaus gehörig informiert wird („Trümmerzeit“, 204 ff.). Dummdreistes im Stil der Frage im Besucherbuch, wann denn nun Münchens „große Zeit“ als „Hauptstadt der Bewegung“ durch eine Ausstellung gewürdigt würde, habe ich unmittelbar nicht mitbekommen. Wohl aber fand ich die berechtigte, in der Ausstellung indes ergebnislose Suche nach den verantwortlichen Veranstaltern jeder „großen Zeit“ und der daraus nicht schicksalhaft, sondern notwendig resultierenden Trümmer.

Ebenso unbefriedigt bleibt – und das trifft nun schon den Kern – der Wunsch, den Alltag nach 1945 durch Blicke hinter die Kulissen durchschaubar zu machen, das gesellschaftliche und politische Kräftespiel dieser entscheidungsreichen Zeit gewichtend und wertend zu erschließen. Dazu müsste unbedingt die Auflösung der Widersprüche in dem Grundmuster gehören, das auch auf Seite eins des Begleitmaterials „Trümmerzeitung“ zu finden ist: „Alle Politik im München der ersten Nachkriegsjahre war geprägt von der Präsenz der amerikanischen Besatzungsmacht“; und zum anderen: „Die gemeinsame Erfahrung der Verfolgung durch die NS- Diktatur hatte bei den demokratischen Politikern haltbare Bindungen über die Parteigrenzen geschaffen.“ Gerade auf die wichtigste antifaschistische Ausgangsposition, die Protokolle der Beratungen und Beschlüsse der Aktionsgemeinschaft von SPD und KPD aus dem Sommer 1945, habe ich keinerlei Hinweis gefun-
den. Was da festgelegt und in Aktionsausschüssen an der Basis in Teilen auch sofort praktisch angepackt wurde, hätte den Neubau auf festen antifaschistischen, antimilitaristischen und anti-
monopolistischen Fundamenten bedeutet. Diese Intention stimmte zwar mit den Prinzipien des Potsdamer Abkommens überein. Aber eben davon wendete sich die US-Besatzungsmacht mehr und mehr ab – bis hin zur Beauftragung des Gestapospezialisten und Massenmörders Barbie, in Bayern für antikommunistische Kontinuität zu sorgen. Dass das allein mit CIA und Barbie, Lasky und ICD nicht zu schaffen war, liegt auf der Hand. Dafür mussten Deutsche gewonnen werden – durch Überzeugung und durch Korruption. Die Ausstellung kommt zu alledem über Andeutungen nicht hinaus; die Kataloge sind weitaus informativer, etwa der Beitrag von Rüdiger Bolz über Demokratisierung und erneute Entdemokratisierung des Rundfunks; hier werden auch geistige Verluste benannt, die München im Verlauf der ersten Berufsverbotswelle der Nachkriegszeit erlitten hat – von Herbert Gessner über Karl-Georg Egel bis Eduard Claudius, erst gar nicht zu reden über Heinz Mode, nachmals Professor in Halle und führender Indologe der DDR, der in München laut eigener Einsicht aus drei Gründen nichts werden konnte: als Emigrant, als Jude, als Kommunist. Sehr viel weniger „Belastendes“ genügte schon, in die Verbotsmühle der US-Besatzer zu geraten – siehe das Schicksal der antifaschistischen Zeitschriften „Ende und Anfang“ und „Der Ruf’ mit den Herausgebern Alfred Andersch und Hans Werner Richter.

Hier wird deutlich, wie die viel strapazierte Formel von „Kontinuität und Neubeginn“ weit mehr zudeckt als aussagt. Besonders bequem ist das angesichts der fatalen Rolle, die der von der Be-
satzungsmacht eingesetzte erste Oberbürgermeister Scharnagl gespielt hat. Wollte er 1933 die Koalition der Bayerischen Volkspartei mit der NSDAP, so wurde er ab 1945 zum Exponenten der CSU-Kräfte, die durch enge schwarz-braune Zusammenarbeit in zwei Bereichen unbedingte Kon-
tinuität zu sichern trachteten: in den Besitzverhältnissen und im militanten Antikommunismus. Was der Kriegsberichterstatter Honolka ein paar Tage vor dem Eintreffen der Amerikaner noch
als „magische Kraft“ des deutschen Bodens beim Wachsen des neuen Lebens aus den Ruinen be-
schworen hatte, erscheint bei Scharnagl nur wenig modifiziert als „gesunde neue Romantik“. So haben die Feldmayer und Reitz und Süssmayr dann auch ihre Trümmerbilder angelegt, verklären-
de Lügen, nichts von „diesem ganzen erstarrten Schrecken“, der etwa aus den Dresden-Bildern
von Wilhelm Rudolph zu uns spricht. „Schau nur“, regte sich neben mir eine junge Frau vor der nostalgischen Gedenkwand im Stadtmuseum auf, „wie die damals unsere Ruinen gemalt haben – schön wie die Tempel Griechenlands!“ Während dem in der Ausstellung der bildenden Kunst im Stadtmuseum immerhin mit den überlegenen ästhetischen Mitteln der Realisten Geiger und Oehl, Seidl-Seitz, Hüther und Heinzinger widersprochen wird, lag die Sache bei der Stadtplanung und der Baupraxis damals vollends im argen. Scharnagl schwafelte nicht nur gegen „Materialismus“, den er seit 1933 an der Macht sah, und für „die Grundwerte der Seele und des Gemüts“, er ver-
schaffte diesem Konzept auch rigoros Geltung. Bei der Entnazifizierung kritisierte er nicht etwa, dass man die Kleinen hängte und die Großen laufen ließ, er läutete vielmehr die Alarmglocke einer drohenden Radikalisierung, hin zu „Massen von bolschewistisch gesinnten Leuten, die alles be-
kämpfen werden, was Recht und Ordnung bieten soll“. („Aufbauzeit“, 51) Mit diesem Beitrag zur Perpetuierung der im NS-Regime tätigen „Eliten“ wurde der „nachnationalsozialistische Amtsstil“ (Hans Eckstein in „Baukunst und Werkform“, 1949) installiert, und dieser wiederum gewährleiste-
te die Abwehr selbst zaghafter Versuche, die Struktur des Grundeigentums anzutasten. So ließ man den gewiss vorsichtigen Abel-Plan, der immerhin schon 1946 Fußgängerzonen vorsah und dafür auch im Stadtrat lebhafte Zustimmung fand, sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden. Der Grund: er „hätte einige Eingriffe in die bestehenden Besitzverhältnisse erfordert“. („Aufbau-
zeit“, 18) Was vordergründig als Kampf zwischen Tradition und Moderne erscheint, hat in Wirk-
lichkeit diesen bestimmenden ökonomischen Hintergrund: „Auch die bescheidenen, auf Korrektur, nicht auf Revolution abzielenden ,Realisten’ haben erfahren, dass die für das Auge frei gewordenen Flächen in Wirklichkeit keineswegs frei sind, sondern dass sie überwuchert sind mit einem Ge-
strüpp von Grundbesitzrechten.“ („Aufbauzeit“, 10) Erst dann, als auf diese Weise das Fiasko des Münchner Städtebaus, vor allem der Wohnviertel, bereits strukturell festgelegt war, erfolgte Scharnagls Fall und Thomas Wimmers Aufstieg als Oberbürgermeister. Die weiten „freigeworde-
nen Flächen“ entstanden nun infolge des Muts der Stadt zu großflächiger Schutträumung. Wir trugen dabei – ich war inzwischen durch die Wahlen des Jahres 1948 Stadtrat und Korreferent
für den Wiederaufbau Münchens geworden – das volle Risiko. Zu keinem Zeitpunkt war unser Vorgehen gedeckt durch gesetzliche Sicherungen von seiten des Landes Bayern, das niemals ein Wiederaufbaugesetz und bis 1949 noch nicht einmal ein Trümmergesetz zustande brachte, um nur ja nicht an das Allerheiligste zu rühren: den großkapitalistischen städtischen Grund- und Haus-
besitz. So zählt auch der damalige Leiter des Wiederaufbaureferats, der parteilose Stadtrat Helmut Fischer, die Defizite der Gesetzgebung auf: Trümmerbeseitigung und -verwertung, Baulandumle-gungen und Enteignungen, ein den Zeitumständen angepasstes Baufreigabeverfahren, das den Nachkriegsbedürfnissen entsprochen hätte.

Diese Sabotage von Staats wegen war jederzeit mit einer massiven Propaganda für die „abendlän-
dischen“ Kulturwerte verbunden, die an tradierte Vorstellungen in der Bevölkerung anknüpfte, um so die Interessen von Reaktion und Restauration als Wünsche der Bürgerschaft erscheinen zu lassen. Als ich zum Beispiel den Wiederaufbau des alten Rathauses, aber nicht einen Neubau des völlig zerstörten Rathausturmes an der Ostseite des Marienplatzes befürwortete – in diesem Fall übrigens in Übereinstimmung mit dem Preisgericht, das hier für ein Verständnis des Marien-
platzes als „platzartige Erweiterung des Ost-West-Straßenzugs“ eintrat („Aufbauzeit“, 27) – , da witterte Stadtrat Gritschneder hinter soviel Vernunft bereits den Einbruch des östlichen Nihilis-
mus ins christliche Zentrum der bayerischen Landeshauptstadt. Ich sagte ihm, er solle sich auf den Marienplatz stellen und nach Osten schauen, dann werde er weder Bolschewismus noch Atheismus sehen, sondern die schöne Fassade der Heiliggeistkirche. Damit hatten wir zwar die Lacher, aber in dieser Entscheidung leider nicht die Stadtratsmehrheit auf unserer Seite.

Bestand hat aus dieser Zeit, was nicht zuletzt durch das persönliche Engagement von Thomas Wimmer wirksam blieb: eine lebendige antifaschistische Gemeinsamkeit, die sich in der Tat über Parteigrenzen hinweg mit wechselnden Mehrheiten im Stadtrat bewährte. Das gilt für die Schutt-
räumung, für die in der damaligen Zeit außerordentlichen Anstrengungen im sozialen Wohnungs-
bau und für die Abwehr einiger architektonisch besonders deplazierter Konzernbauten. Davon war auch der Widerstand getragen, den die Stadt München noch zu Beginn der fünfziger Jahre einer fortschreitenden Renazifizierung des Rathauses entgegensetzte. Selbst solche wirklich vorwärts-
weisenden Schritte sind dieser Zusammenarbeit zu verdanken wie die Startphase der Volkshoch-
schule, der Aufbau des kommunalen Bibliothekswesens und die Realisierung des von dem Kom-
munisten Franz Auweck entwickelten zweiten Bildungswegs. Schließlich gehören auch die west-
deutschen Erstaufführungen Bertolt Brechts an den Kammerspielen auf dieses Blatt unserer Stadtchronik.

So ist die Wirklichkeit dieser Jahre im Positiven und im Negativen kontrastreicher, kontroverser, als es die Ausstellung deutlich macht. Die Frauen und Männer, die München unter so viel Wider-
ständen in körperlicher und geistiger Arbeit aus einem Trümmerhaufen wieder zu einer Stadt gemacht haben, die bewohnbar ist, haben damit einen Anspruch auf die Zukunft erworben. Was nach der Zerstörung durch Faschismus und Krieg uneingelöst blieb durch die gesellschaftspoli-
tische, und eben nicht nur architektonische, Absage an den Neubau, ist uns als Aufgabe verblieben. Das zwingt zunächst zu der Konsequenz, wenigstens das Erreichte zu schützen vor dem Zugriff der Zerstörer auch der letzten humanen Lebensmöglichkeit, vor denen, die den Sozialstaat sturmreif schießen wollen, die unsere Umwelt in Stadt und Land vernichten, die zum Atom- und Raketen-
krieg rüsten. Am Fuß des Trümmerbergs auf dem Olympiagelände, entstanden aus 10 Millionen Kubikmeter Schutt des zerbombten, ausgebrannten Münchens, habe ich vor den Teilnehmern
des Ostermarsches 1984 auf diese Zusammenhänge hingewiesen: „Meine persönliche Bindung an den Schwur der überlebenden Kameraden von Buchenwald – ,Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg’ – musste für mich immer bedeuten, dass jedes bewohnbare Haus, jede nur benutzbare Werkhalle, jeder brauchbar hergerichtete Kultur- oder Schulraum des Schutzes vor erneuter Zerstörung in einer diesmal endgültigen Kriegskatastrophe bedarf. Dass wir die Aufbauleistungen damals so nur schaffen konnten durch die antifaschistische Gemeinsamkeit, bestätigt auch die Ausstellung über die Trümmerzeit im Münchner Stadtmuseum. Das muss erst recht gelten für die Notwendigkeit, das inzwischen Erarbeitete gemeinsam zu bewahren und zu sichern gegen die drohende Unbewohnbarkeit unserer Stadt, gegen den atomaren Holocaust.“

Publikationen zur Ausstellung:
- Friedrich Prinz (Hg.), Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch 1945 – 1949, Verlag C.H. Beck. München 1984, 48,- DM (die broschierte Ausgabe in der Ausstellung kostete 36,- DM).
- Winfried Nerdinger (Hg.), Aufbauzeit – Planen und Bauen in München 1945 – 49, 24,- DM.
- Trümmerzeitung. Informationen zur Ausstellung und Verzeichnis der Exponate. 1,- DM.
- Eine wichtige Ergänzung zu den Ausstellungskatalogen ist der großformatige Bildband „Ruinen-Jahre“ aus dem Hugendubel Verlag München. „Bilder aus dem zerstörten München 1949 – 1949“ hat Richard Bauer für dieses Buch zusammengestellt: rund 200 Fotos aus den Beständen des Münchner Stadtarchivs. (216 S., 48,- DM).
- Dokumentarische Texte zum Thema in: Michael Schröder (Hg.), Auf geht’s: Rama dama! Frauen und Männer aus der Arbeiterbewegung berichten über Wiederaufbau und Neubeginn 1945 bis 1949, Bund-Verlag Köln (236 S., 18,- DM).

Oskar Neumann1


tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 147 vom Juli 1984, 59 ff.

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1 Im Vorwort zum Nachlass von Oskar Neumann, der im Münchner Institut für Zeitgeschichte liegt, heisst es: „Oskar Neu-
mann wurde am 30. April 1917 in Nürnberg als Sohn des Juristen und Reichsbahnoberrates Oskar Ignaz Neumann und seiner Frau Alexandrine geboren. Der Vater wurde aufgrund jüdischer Abstammung aus dem Dienst entlassen und 1938 unter ungeklärten Umständen tot auf der Straße aufgefunden. Oskar Neumann legte 1936 sein Abitur ab – nach eigener Aussage das beste seines Jahrgangs in Bayern. Da ursprüngliche Pläne für die juristische Laufbahn scheiterten, nahm er ein Chemiestudium an der TH München auf. Im August 1939 wurde N. zum Wehrdienst eingezogen und bis zum Oktober 1940 an der Westfront eingesetzt. Nach seiner vermutlich aus ‚rassischen’ Gründen erfolgten Entlassung setzte er das Studium in München fort und engagierte sich nach eigenem Bekunden in einer studentischen Widerstandsgruppe ‚Wasser und Gas’. Im Oktober 1944 schloss N. sein Studium mit dem Diplom ab. Im gleichen Monat wurde er – wahrscheinlich aufgrund seiner ‚nichtarischen’ Abstammung – im Zentralen Arbeitslager Tiefenort, einem Nebenlager des Konzentrationslagers Buchen-
wald, interniert und im März 1945 in das Zentrale Arbeitslager Abteroda verlegt. In dieser Zeit war er als Zwangsarbeiter für AEG tätig. N. war – nach eigenen Angaben – Mitglied der illegalen Lagerleitung, der am 1.4.1945 die Flucht aus dem Lager gelang. Nach Kriegsende übernahm N. eine Assistentenstelle an der TH München, wo er unter Prof. Goldschmidt an Farb-
stoffuntersuchungen arbeitete. N. trat der KPD bei und engagierte sich vor allem in der Münchner Kommunalpolitik, so u.a. für die Aktionsgemeinschaft KPD-SPD, in der er jedoch keine offiziellen Funktionen übernahm. N. war Mitgründer der ‚Gewerkschaft für geistig-kulturell Schaffende’ und Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN). Am 30. Mai 1948 wurde Neumann als Vertreter der KPD in den Münchner Stadtrat gewählt und wurde Mitglied im Schul- und Kulturausschuss. Sein Mandat endete Anfang 1950 durch Umzug nach Düsseldorf; aus der TH war er bereits 1949 ausge-
schieden. N. übernahm Anfang 1951 eine führende Rolle in der von der KPD initiierten Volksbefragung gegen die Wiederbe-
waffnung (‚Sind Sie gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutsch-
land im Jahre 1951?‘) als Sekretär in der Leitung des ‚Hauptausschusses für Volksbefragung gegen die Remilitarisierung’. Nach dem Verbot der Volksbefragungsaktion durch den Bundesinnenminister im April 1951 wurde N. im Oktober 1952 festgenommen und blieb bis zum Dezember 1953 in Untersuchungshaft. Am 14.6.1954 begann der Prozess gegen Neumann, Karl Dickel und Emil Bechtle vor dem 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe unter der Anklage des Hochver-
rats. Am 2.8.1954 wurde Neumann zu 3 Jahren Haft wegen Staatsgefährdung und Mitgliedschaft in einer Vereinigung ver-
urteilt, deren Tätigkeit auf Begehung strafbarer Handlungen ausgelegt sei. N. hatte sich mittlerweile in die DDR abgesetzt. Im Juli 1961 wurde er in Duisburg unter falschem Namen verhaftet. Er verbüßte die Haftstrafe bis September 1962 unter Anrechnung seiner Untersuchungshaft. Seit Ende der 60er Jahre trat N. als Publizist und Redner an die Öffentlichkeit: Zum einen mit Beiträgen zu Zukunftsforschung und Umweltschutz; zum anderen übernahm N. eine hervorgehobene Funktion in der ‚Kulturarbeit’ der Partei. 1970 wurde er Mitherausgeber der Zeitschrift ‚Kürbiskern’ bis zu deren Einstellung 1987. Zahlreiche literaturkritische Beiträge erschienen im Zentralorgan der DKP ‚Unsere Zeit’. Daneben war N. Herausgeber der Reihe ‚Die kleine Arbeiterbibliothek’. In den 80er Jahren folgte eine verstärkte organisationspolitische Tätigkeit: 1981 wurde N. Landesvorsitzender der VVN in Bayern und Mitglied im VVN-Präsidium sowie in dieser Zeit Mitglied der DKP-
Bezirksleitung Südbayern und der zentralen Leitung der DKP. 1986/87 kandidierte N. für das Bündnis ‚Die Friedensliste’ für den Münchner Stadtrat. Bis 1990 war Oskar Neumann noch als Redner und Publizist aktiv. Er starb am 2.4.1993 in München im Alter von 76 Jahren.“

Überraschung

Jahr: 1948
Bereich: KPD

Referenzen