Flusslandschaft 1955
Nazis
Am 12./13. Januar wird der neue Veit-Harlan-Film „Verrat an Deutschland“ vorgestellt. Das Publikum reagiert zum Teil mit Pfiffen. Die weibliche Hauptdarstellerin, „Reichswasserleiche“ Kristina Söderbaum, fällt mitten auf der Bühne in Ohnmacht.
„… Zu den völkisch-nationalistischen Gruppen gehört auch die ‚Schiller-Jugend’, die im Schiller-Jahr 1955 gegründet wurde, In diesem Jahr unternahm das Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes, das in München von dem ehemaligen SA-Lyriker Dr. Herbert Böhme geleitet wird, den Versuch, in Oberschulen und Gymnasien ‚Schiller-Feiern’ zu veranstalten, um auf diese Weise in den Kreis der Pädagogen und höheren Schüler einzudringen, Diese Bemühungen wurden durch die ‚Schiller-Jugend’, deren Führer der 1928 geborene Hans Ulfert Siebrands ist, fortgesetzt. Bereits im November 1960 fanden in der Geschäftsstelle und in den Wohnungen mehrerer Führer der ‚Schiller-Jugend’ Haussuchungen statt, die aufgrund eines Ermittlungsverfahrens angeordnet wa-
ren …“1
Am 22. November veröffentlicht Otto Strasser, Vorsitzender des Bundes für Deutschlands Erneue-
rung, ein „Manifest zur Wiedervereinigung“.
„Mitte der fünfziger Jahre, so wird man resümieren müssen, hatte sich ein öffentliches Bewusst-
sein durchgesetzt, das die Verantwortung für die Schandtaten des ‚Dritten Reiches‘ allein Hitler und einer kleinen Clique von ,Hauptkriegsverbrechern‘ zuschrieb, während es den Deutschen in ihrer Gesamtheit den Status von politisch ‚Verführten‘ zubilligt, die der Krieg und seine Folgen schließlich sogar selber zu ‚Opfern‘ gemacht hatte.“2
1 Manfred Jenke, Verschwörung von rechts? Ein Bericht über den Rechtsradikalismus in Deutschland nach 1945, Berlin 1961, 330 f.
2 Norbert Frei, Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik Deutschland und die NS-Vergangenheit, München 1996, 405.