Materialien 1952

Spitzel im Maximiliansgymnasium

Von unserem süddeutschen Korrespondenten HPL München, Ende Mai

Seit Wochen beschäftigt der Fall der vier entlassenen Schüler – 16- bis 17jährige Jungen – des Maximiliansgymnasiums die Öffentlichkeit. Jetzt ist die Angelegenheit durch eine Diskussion in den Klubräumen der „Auswärtigen Presse“ vor ein noch weiteres Forum gebracht worden.

Die Jungen hatten Magazine gekauft, wie sie an jedem Zeitungsstand zu haben sind, „Paris-Hollywood“ und ähnliches. Entsprechend bebildert, mit halbentkleideten jungen Damen. Ein Schulkamerad, ein gewisser Peter Wimmer, dessen Name bei der gesamten Münchener Schülerschaft nun im „Verschiss“ ist, wie der lokale Jungensausdruck lautet, ging zum Direktor, Dr. Hans Lindemann, und petzte. Dieser beauftragte ihn, Spitzeldienste zu leisten. Hierauf durchsuchte Wimmer die Schulmappen seiner Kameraden, fand die anstößigen Magazine und brachte sie zum Direktor. In der Lehrerkonferenz waren die vier „schuldigen“ Jungen mit sofortiger Wirkung aus dem Maximiliansgymnasium ausgestoßen. Weder die Eltern der Jungen noch der Elternbeirat des Gymnasiums waren informiert worden; ihr nachträglicher Protest nützte nichts.

In der Schulzeitschrift „Das Blinklicht“ hat sich nun Direktor Lindemann („Ich bin ein fortschrittlicher Erzieher“, erklärte er der Presse. „Der Beweis liegt schon darin, dass man in Fürstenfeldbruck bei meinem Weggang die Schule mit meinem Namen benennen wollte.“) in einer bemerkenswerten Ausdrucksweise über die vier entlassenen Gymnasiasten geäußert. Er habe den Eindruck gewonnen, schrieb er, dass „es sich um sittlich auf die schiefe Bahn geratene Jugendliche handeln müsse“. Vorher hatte er zu den Eltern jedoch gesagt, „es besteht kein Grund zur Annahme, dass das Verhalten der Schüler von Verdorbenheit oder Gemeinheit der Gesinnung zeuge“, und die Schüler selbst bezeichnete er als „nette Jungens“. Ein anderer Lehrer des Maximiliansgymnasiums, der Oberstudienrat Schaller, hat sich im „Blinklicht“ gar dahingehend ausgelassen, dass einer, der „die Reinheit des Herzens seines Nachbarn antastet und die Unbefangenheit seines klaren Blicks nimmt“, schlimmer sei als ein Dieb. Und dies alles wegen der Magazine!


Die Zeit 22 vom 29. Mai 1952.

Überraschung

Jahr: 1952
Bereich: SchülerInnen

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