Flusslandschaft 1956
Jugend
Am 5. August protestieren Jugendliche auf der Auer Dult dagegen, dass die Stände bereits um 20 Uhr schließen. Nach der Stromabschaltung am Auto-Scooter reagieren sie mit Pfiffen und Buhrufen. Überfallkommando und Funkstreife treffen ein. Gummiknüppel treten in Aktion, Steine werden auf Polizisten geschleudert. Elf Jugendliche werden festgenommen. Am 14. August zettelt die „Totenkopfbande“, insgesamt fünfzig Jugendliche, eine Schlägerei an; am 15. August provozieren Jugendliche Passanten auf einer Isarbrücke. Die anrückende Polizei kann der Situation kaum Herr werden. Vier Jugendliche, darunter eine junge Frau, werden festgenommen. Innenminister August Geislhöringer ist dafür, dass man gegen die „jugendlichen Banditen“ mit aller Härte vorgeht. Am 24./25. August versuchen hundert Jugendliche das Polizeirevier in der Schwanthaler Straße zu stürmen. Polizeieinheiten räumen den Platz; sieben Jugendliche werden festgenommen.1
Am 17. September kommt es zur Diskussionsveranstaltung über die Frage „Gibt es Halbstarke?“ Jugendliche äußern heftige Kritik am Verhalten der Polizei. Einer erklärt unter tosenden Beifall, die von Älteren geforderte „Erziehung mit dem Gummiknüppel“ sei eine unerträgliche Provokation. Einige Redner meinen, das „Halbstarken-Problem“ sei erst mit der Ratifizierung der allgemeinen Wehrpflicht entstanden.
1 „In der Anfangsphase beschränkten sich die Großkrawalle der ‚Halbstarken’ eher auf Unterschichten. In den Jahren 1956 bis 1958 waren an den sich in jeder zweiten westdeutschen Großstadt ereignenden Unruhen zunehmend auch Jugendliche aus der Mittelschicht beteiligt.“ Heiko Drescher, Genese und Hintergründe der Demonstrationsstrafrechtsreform von 1970 unter Berücksichtigung des geschichtlichen Wandels der Demonstrationsformen, Phil. Diss., Düsseldorf 2005, 60.