Materialien 1963

Es mussten Konfliktpunkte ...

gefunden und soziale Betroffenheiten ausfindig gemacht werden, um der Provokation einen Boden zu geben. Am 22. November 1963 wurde John F. Kennedy in Dallas, Texas, ermordet. In fast allen Großstädten des westlichen Deutschlands fanden Fackelzüge der Schüler und Studenten statt. Zig-
tausende waren auf den Straßen und gaben ihre Betroffenheit kund. Kennedy wurde als ein großer Reformer der US-amerikanischen und der Weltpolitik gefeiert. Die Subversive Aktion verfaßte ein Flugblatt: „Auch Du hast Kennedy erschossen!“ Darin hieß es: „Die unermeßliche Trauer über den Tod Kennedys beweist, daß die Gesellschaft diesen Tod ersehnt hat: Zur Schau gestelltes Glück produziert Neid und die Trauer aller soll den Todeswunsch aller kompensieren.“ An anderer Stelle wurde gesagt: „Der Genuß des Schmerzes ist das Abzeichen der kollektiven Idiotie, und das schwülstige Gefühl von Gemeinschaft kann in einer Gesellschaft, wo jeder von jedem perfekt ab-
gekapselt in der Isolation verharrt, nur noch durch gesteuerte Massenpsychosen suggeriert wer-
den.“ Zum Schluß gab sich die neue Elite zu erkennen: „Wer all dies nicht versteht, will es nicht verstehen und untermauert nur die Wahrheit dieser Sätze, gleichzeitig entpuppt er sich als devoter Befehlsempfänger gesamtgesellschaftlicher Dogmen.“

Das Flugblatt fand eine gewisse Aufmerksamkeit an den Universitäten unter Studenten und bei der Polizei. Es zeigte die Richtung an, wo und wie Provokationen Resonanz finden konnten. Dieter Kunzelmann schrieb an seinen Mitstreiter Frank Böckelmann: „Wir provozieren Monsterprozesse, durch die wir unsere ganzen Ideen publik werden lassen. Wir stürmen z.B. ein Kaufhaus, nehmen alle Güter und verteilen sie auf der Straße, der folgende Prozeß müßte so frech-geschickt geführt werden, daß die Lüge der freien Wirtschaft selbst dem letzten Trottel bewußt wird. Oder wir insze-
nieren mitten auf dem Stachus eine Vögel-Szene (Du und Marion), und im Prozeß treten wir dann auf: ‚Warum nicht?’“ Es wurde ein Katalog von Maßnahmen erstellt, durch die man auf der Kasse-
ler „Documenta“ aufzufallen und ein Echo zu finden hoffte: beleidigende Briefe an alle Aussteller, Manipulation von Druckfehlern, Verteilung von Freikarten für die Eröffnung an allen Schulen, Ausladung eingeladener Gäste, Manipulation von Leserbriefen usw. Die Subversive Aktion suchte Interventionsfelder.

Bernd Rabehl


www.freenet-homepage.de/visionen/Provo1.htm.

Überraschung

Jahr: 1963
Bereich: Internationales

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