Materialien 1965

„Großkapitalist“ DGB

Kollege Gerhard Specht, der Leiter der Abteilung Wirtschaft im DGB-Landesbezirk, sprach über das Thema „Der Wirbel um die wirtschaftlichen Beteiligungen des DGB und der Gewerkschaften“. In der offenkundigen Absicht, dem DGB und seinen Gewerkschaften eins auszuwischen, versuchen gewisse Parteien, Gruppen und Zeitungen unter Verzicht auf Sachlichkeit und Objektivität immer wieder die Existenz der gemeinwirtschaftlichen Unternehmen zu diffamieren. Der DGB sei der größte Haus- und Grundbesitzer, unterhalte Großbanken und -versicherungen, habe eine Hochseefischereiflotte, die Konsumgenossenschaft gehöre ihm usw., sind einige der haltlosen Behauptungen und „Übertreibungen. In der Regel gipfeln diese ebenso plumpen wie dummen Angriffe mit der Forderung, das Vermögen des DGB und seiner Gewerkschaften solle privatisiert werden. Specht führte in sachlicher und überzeugender Darlegung diese Dinge auf ihren tatsächlichen Kern zurück. Die gemeinwirtschaftlichen Unternehmen seien als Selbsthilfeeinrichtungen zum Segen der Arbeitnehmer nicht erst in der Nachkriegszeit geschaffen worden, sondern beständen, solange es Gewerkschaften gibt. Die Genossenschaften gehören nicht den Gewerkschaften, sondern den Genossenschaftsmitgliedern. Die Wohnungsbaugesellschaft „Neue Heimat“ – und nicht der DGB – verfüge Ende 1964 über einen Bestand von 178.945 Wohnungseinheiten, das sei nicht einmal 1 Prozent des Wohnungsbestandes der Bundesrepublik oder 6,7 Prozent aller „gemeinnützigen“ Wohnungen. Es wäre ein Segen für die arbeitende Bevölkerung, wenn die wirtschaftliche Macht der gemeinwirtschaftlichen Unternehmungen wirklich so groß wäre, wie sie zur Diffamierung des DGB hingestellt wird. Die Bedeutung dieser Unternehmen hinsichtlich einer vernünftigen Preisregulierung ließe sich aber auch in ihrem jetzigen Stadium nicht bestreiten. Gewerkschaften und der DGB seien in den gemeinwirtschaftlichen Betrieben mit ca. 180 Millionen Mark engagiert. Bei einer Aufteilung dieses Vermögens auf die Gewerkschaftsmitglieder entfiele auf jedes Mitglied ein Betrag zwischen 26 und 27 Mark. Merkwürdigerweise liege die Privatisierung dieses Vermögens gerade den Leuten so am Herzen, die für Gemeinschaftsaufgaben bisher keinen Pfennig geleistet haben, sondern höchstens ungerechtfertigterweise daran profitieren. Gewerkschaften, die ernst genommen werden wollen, brauchen für den Eventualfall finanzielle Reserven. Die Entblößung davon würde sie zu unbedeutenden und hilflosen Vereinen stempeln. Das sei wahrscheinlich das, was die notorischen Gewerkschaftsgegner mit ihrer Zweckpropaganda im Sinn haben.

Der Vortrag des Kollegen Specht, der den Delegierten und interessierten Gewerkschaftsmitgliedern bald schriftlich zur Verfügung stehen soll, wurde lebhaft und positiv diskutiert. Der DGB und seine Gewerkschaften können stolz darauf sein, daß sie – nicht zuletzt durch die von den Mitgliedern beigesteuerten Mittel – auch ein nicht zu übergehender wirtschaftlicher Faktor sind.


Münchner Ausblick. Mitteilungen der Gewerkschaft Handel – Banken – Versicherungen HBV, Ov. München 12 vom Dezember 1965, 2.