Materialien 1966
Aus München wird das spektakulärste Beispiel von Baulandpreissteigerung berichtet ...
Im Siedlungsgebiet Parkstadt Solln kostete 1952 ein Quadratmeter Boden ganze 93 Pfennig; im vergangenen Jahr (1965) zahlte ein Versicherungsunternehmen dafür 250 Mark. „Ich habe lange gerechnet“, sagte Georg Leber auf dem Bauarbeiterkongress. „Das ist eine Preissteigerung um 26.781 Prozent.“ Und Münchens Oberbürgermeister Vogel meinte dazu bitter: „Gemessen an der Entwicklung der Bodenpreise in München und um München ist der Wert der Mark bereits auf sieben Pfennig zusammengeschmolzen.“
In der Innenstadt Münchens kosten Geschäftsgrundstücke heute zwischen 7.000 und 8.000 Mark je Quadratmeter … Noch im Frühjahr dieses Jahres schätzten Fachleute, dass sich beispielsweise in München die Baulandpreise für Grundstücke „in guter Wohnlage“ von heute etwa 150 Mark in den nächsten fünf Jahren auf vielleicht 180 Mark pro Quadratmeter steigern werden … Bis 1960 wur-
den Subventionen aus den Bundes- oder Länderkassen hauptsächlich in Form billiger Darlehen oder verlorener Zuschüsse gewährt. Seither ist eine andere Form staatlicher Hilfe immer bedeutsa-
mer geworden: die Verbilligung von Kapitalmarktmitteln durch Zinszuschüsse. Nutznießer dieses Verfahrens waren bisher in erster Linie der Wohnungsbau und die Landwirtschaft. Für den Staat sind Zinssubventionen ein verführerisches Instrument. Man kann bestimmte Wirtschaftsgruppen begünstigen, ohne zunächst den Haushalt übermäßig zu belasten. Mit Hilfe von 210 Millionen Mark aus Steuergeldern wurden beispielsweise 1965 mehr als 4,5 Milliarden Mark aus dem Kre-
ditmarkt in die Hände solcher Empfänger geleitet, die dieses Kapital nicht so produktiv einsetzen können, dass sie ohne staatliche Hilfe die hohen Marktzinsen zahlen könnten. Damit wird aber auch die Fragwürdigkeit dieses Verfahrens deutlich: In den subventionierten Bereichen wird die Kreditnachfrage weitgehend zinsunempfindlich, so dass auch zweitrangige Vorhaben finanziert werden können, während die Industrie wegen der hohen Zinsen und der knappen Kredite wichtige Investitionen zurückstellen muss. Randgebieten Münchens dagegen sagen sie für die nächsten fünf Jahre noch einmal eine Verdoppelung voraus.
Kein Wunder, dass unter diesen Auspizien der Ruf nach Maßnahmen gegen die Grundstücksspeku-
lation immer vernehmlicher wurde. Bisher haben jedoch alle Parteien staatliche Eingriffe als un-
vereinbar mit dem Grundsatz des privaten Eigentumsrechtes abgelehnt …
Die Zeit 28 vom 8. Juli 1966.