Flusslandschaft 1956
Wiedergutmachung/Entschädigung
„… Nun, die Bundesrepublik Deutschland, die sich zur Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches erklärt und dessen Verpflichtungen übernommen hat, war bereit, den wenigen Überlebenden der Konzentrationslager und Zuchthäuser sowie den Hinterbliebenen der Ermordeten in einem ihr angemessen erscheinenden Rahmen Wiedergutmachung zu leisten — allerdings nicht allen! Der Paragraph 6 des Bundesgesetzes zur Entschädigung der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG) bestimmte und bestimmt noch heute:
‚Von der Entschädigung ausgeschlossen ist,
1. wer Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen gewesen ist oder der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Vorschub geleistet hat; …
2. wer nach dem 23. Mai 1949 die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekämpft hat;
3. wem nach dem 8. Mai 1945 rechtskräftig die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden sind;
4. wer nach dem 8. Mai 1945 rechtskräftig zu Zuchthausstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt worden ist.’
In der Praxis bedeutet dies, dass drei Kategorien von Verfolgten von jeder Entschädigung ausgenommen waren: aktive Nazis, Schwerverbrecher und – diejenigen, die den härtesten Widerstand geleistet und von allen politischen Gruppen die schwersten Opfer gebracht hatten, nämlich die deutschen Kommunisten, es sei denn, sie hätten spätestens mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 ihre Überzeugung, derentwegen sie zwölf Jahre lang verfolgt worden waren, reuig aufgegeben. Als im Jahre 1956 das Bundesentschädigungsgesetz in Kraft trat und den ihrer Weltanschauung treu gebliebenen deutschen Kommunisten selbst die kärglichen Körperschadensrenten — in aller Regel etwa 90 DM monatlich — aberkannte, war die Kommunistische Partei Deutschlands noch nicht für verfassungswidrig erklärt und verboten worden; dies geschah erst etwa sechs Wochen später …“1
1 Bernt Engelmann, Trotz alledem. Deutsche Radikale 1777 — 1977, München 1977, 371 f.