Materialien 1971

Die wirklich nachhaltigen Frustrationen ...

habe ich mit unserer Bürgerinitiative erlebt, der Aktion Maxvorstadt.

Durch einen Wohnungstausch – eine alte Dame hatte sich den Fuß gebrochen und brauchte eine Wohnung mit Lift, so kamen wir zu dieser Wohnung hier – zogen wir in die Türkenstraße.

Wir begannen, Bürger aus der Maxvorstadt, uns mit den Belangen unseres Viertels auseinanderzusetzen. Bei einer Bürgerinitiative ist es doch so: du musst daran glauben. Daran glauben, dass du etwas verändern kannst. Du schmeißt dich rein, investierst alles, schlägst dich wacker und bewegst gerade mal ein bisschen was. Du kommst nie in Bereiche, die du dir vorgenommen hast. Du wirst immer frustriert, das tut sehr weh. Die Enttäuschung, nicht überzeugen zu können. Diese korrupten Politiker und Beamten, diese faulen Säcke und diese träge Masse, die keine Lust hat, für ihre Rechte einzutreten. In der Hauptsache kämpfst du ja für andere.

Und dann noch dastehen und freundlich sein beim Austeilen von Flugblättern oder dem Sammeln von Unterschriften. Wenn sie dich blöd anreden oder beleidigen, das musst du alles schlucken und darfst nur in dem Maß zurückgeben, dass du sie nicht verstörst. Alles muss in einem freundlichen Rahmen passieren. Da kriege ich dann einen Stein. in den Magen und wenn da nicht noch jemand anderes von der Bürgerinitiative da wäre, den man anschauen kann und wo beide dasselbe denken, was für ein Arschloch, wenn es wieder heißt, an allem seien schließlich die Juden schuld, dann wäre das nicht auszuhalten.

Ein klarer Erfolg für die Aktion Maxvorstadt und eine Belohnung für unsere Arbeit war, als mein Hausbesitzer zu mir kam und sagte: >Ich wollte ja auch eine Passage bauen wie die Amalienpassage. Aber da gibt es ja jetzt so Bürgerinitiativen, die die Leute aufhetzen, so dass ich mindestens fünf Jahre brauche, bis ich die ganzen Mieter draußen hab’. Dann ist der Baupreis aber nicht mehr zu kalkulieren.( So hat er Individual-Renovierung betrieben: wenn einer wegzog oder starb, wurde die Wohnung renoviert. So verdanke ich unserem Kampf gegen die Amalienpassage letztlich, dass ich noch in meiner Wohnung bin.

Ali Mitgutsch


Hella Schlumberger, Türkenstraße. Vorstadt und Hinterhof. Eine Chronik erzählt, München 1998, 487.

Überraschung

Jahr: 1971
Bereich: Stadtviertel

Referenzen