Materialien 1973
Krach als Beruhigungsmittel
Betäubung und Berieselung im Arbeitsleben. Vielleicht kann man Arthur Janovs Buch „Der Ur-
schrei“ hierzu anführen. Danach erfährt der Mensch seinen Urschmerz in seiner frühen Kindheit und sucht diesen nun zu betäuben, sei es nun durch Zigaretten, Alkohol, intellektuelle Tätigkeit usw. Wir fühlen nicht mehr, sagt er, jene innere Leere und Lieblosigkeit, die uns umgibt. So ist es verständlich, dass in manchen Betrieben ein Aufatmen einhergeht mit dem Anschalten der Musik-
berieselung. Mit der Zeit sind die Arbeitnehmer nämlich süchtig geworden und empfinden die Stille als schmerzlich. Zu Hause wird dann sofort der Fernseher angestellt, samstags/sonntags werden Aktivitäten entfaltet, wird konsumiert.
Setzt sich nun das „ungefühlte-ungehörte“ im Menschen durch, dann kommt es zu Aggressionen gegen gesellschaftliche Minderheiten, gegen Familienangehörige und die eigenen Kinder, aber auch gegen sich selbst in Form von Selbstmord und Krankheiten.
Josef Krancher, München
konkret. Monatszeitung für Politik und Kultur 17 vom 19. April 1973, 2.