Materialien 1973

Münchner Autofahrer fordern!!

Wir Autofahrer haben es gründlich satt, von Tag zu Tag mehr als Buhmänner der Nation herhalten zu müssen! Was wäre die deutsche Wirtschaft schließlich ohne uns! Deshalb stellen wir folgende Forderungen auf:

  • Die Parteien haben bei der Durchsetzung und Verteidigung unserer Interessen kläglich versagt. Deshalb fordern wir zu den nächsten Bundestags-, Landtags- und Stadtratswahlen die Aufstellung von Kandidaten aus unseren Reihen, bzw. verdienten Männern des ADAC.
  • Bis diese Kandidaten in die Parlamente einziehen können, müssen zwischenzeitlich einige Maßnahmen ergriffen werden, um uns das nackte Überleben zu sichern.
  • Die Bürgersteige sind auf eine Einheitsbreite von 40 cm zu normen. Damit lassen sich 2 Fahrspuren gewinnen. Auch Fußgänger können schließlich hintereinander gehen!
  • Schafft endlich die Bäume in den Wald, wo sie hingehören! Sie nehmen uns Parkflächen weg, die Kastanien beschädigen unseren Lack, das glitschige Herbstlaub gefährdet den Verkehr.
  • Wir fordern amtliche Kennzeichnungspflicht für alle Fußgänger, um rücksichtslose Passanten gegebenenfalls sofort identifizieren zu können.
  • Öffnet die städtischen Grünanlagen als Parkmöglichkeiten in den Zeiten, in denen sie zu wenig genutzt werden (z.B. den Englischen Garten)!
  • Die Wohnungen mit Fenstern zu stark befahrenen Straßen sollen eine entsprechende Filteranlage einbauen oder die Fenster zumauern.
  • Weiter fordern wir, dass das Bundesministerium für Wissenschaft und Technologie Forschungsaufträge an die Industrie vergibt zur Entwicklung einer Volksgasmaske, die kostenlos an die Bevölkerung abgegeben wird, um uns allen die wirtschaftlich kaum vertretbaren Kosten für Entgiftungsanlagen in den Autos selbst zu sparen.
  • In bezug auf den Verkehrslärm sind für übersensible Zeitgenossen geeignete Pillen zu entwickeln.
  • Gesetzliche Maßnahmen, die die selbständige Verantwortung und den Ermessensspielraum der einzelnen Autofahrer einengen, wie z.B. das berüchtigte „Tempo 100“,sind notfalls nicht nur bis zum Bundesverfassungsgericht durchzufechten, sondern bis zur UNO.
  • Alle öffentlichen Ämter sollen zur Einrichtung von Autoschaltern und deren bevorzugter Abfertigung angewiesen werden.
  • Der TÜV ist auf freiwillige Basis zu stellen!
  • Fußgänger sollen zu ihrer eigenen Sicherheit verpflichtet werden, Straßen nur an geeigneten Sammelpunkten (in erster Linie Straßenkreuzungen) überqueren zu dürfen. Bei Zuwiderhandlungen kann jeder Fahrer sie mit Hilfe eines praktisch genormten Bußgeldformulars im Taschenformat anzeigen.
  • Auf diese Weise ergäbe sich auch ein sinnvoller Ausgleich für den Steuerausfall bei der längst fälligen Reduzierung der Mineralölbesteuerung auf ein menschliches Maß.
  • Außerdem fordern wir eine Straßenabriebssteuer für überschwere Fußgänger!

Wir verkennen nicht, dass die geforderten Regelungen Erschwernisse mit sich bringen. Aus diesem Grunde sollte aufstiegswilligen Fußgängern und Radfahrern nach Überprüfung durch den ADAC ein Darlehen aus Bundesmitteln zur Verfügung gestellt werden. Damit wären auch die bedrohten Zuwachsraten der Autoindustrie zu sanieren.

Eigendruck im Selbstverlag. Presserechtlich verantwortlich:
I. Schellmannn, 8 München 22, Wiedenmayerstraße 2


10 Jahre Aktion Maxvorstadt 1971 – 1981, 234.

Überraschung

Jahr: 1973
Bereich: Umwelt

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