Flusslandschaft 1959
Internationales
- Allgemeines
- Kuba
- Ungarn
- Spanien
- USA und UdSSR
1
Eine Welt im Umbruch. Die Zeit des Kolonialismus ist vorbei. Hart und vernehmlich pochen die Völker des Vorderen Orients, Afrikas und Asiens an die Tore der weißen Vorherrschaft.
KUBA
Am 1. Januar siegt die von Fidel Castro geführte kubanische Revolution gegen die Diktatur Batista.
UNGARN
„16. März: In München legen der SPD-Unterbezirk und eine Gruppe sozialdemokratischer Emi-
granten aus Osteuropa, die sich Internationale Arbeitsgemeinschaft nennt, auf einer Pressekon-
ferenz ein Weißbuch über die Aktivitäten ungarischer Neofaschisten in der Bundesrepublik vor. Das umfangreiche Dokumentationsmaterial soll belegen, dass sich nach Kriegsende Funktionäre und Anhänger der ungarischen Pfeilkreuzler-Partei, einer Nachahmung der NSDAP, vor allem in Österreich und in Bayern niedergelassen haben. Zwar sind die Anführer der damaligen Bewegung im März 1946 in Ungarn hingerichtet worden, wesentliche Teile dieser Organisation existieren jedoch im Rahmen der 1935 von Ferenc Szálasi gegründeten Hungaristischen Bewegung fort. In ihrer in einer Auflage von dreitausendsiebenhundert Exemplaren hergestellten Monatszeitschrift ‚Cei’ (auf deutsch: Ziel) werde, so wird erläutert, systematisch antisemitische und neonazistische Hetze betrieben. Das Blatt, das in seiner Mehrzahl kostenlos versandt wird, richte unter der Masse der politisch zumeist schlecht informierten ungarischen Emigranten großen ideologischen Schaden an. Sitz der Hungaristischen Bewegung ist München.
Ein ähnlich gefährliches Blatt sei die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift ‚Hidverök’ (auf deutsch: Brückenbauer), die auf dem bei Neumarkt-St. Veit (Niederbayern) gelegenen Schloss Taising hergestellt werde. Dort existiere sogar ein von dem ehemaligen ungarischen NS-Minister Arpad Henney geleitetes ‚Institut zur Erforschung neuzeitlicher Geschichte und Gesellschaft’. Der SPD-Unterbezirksvorsitzende Hans Demeter erklärt, dass es sich zwar nur um eine Minorität unter den dreißigtausend in der Bundesrepublik lebenden ungarischen Emigranten handle, diese jedoch nicht unterschätzt werden dürfe. Sie sei straff organisiert und terrorisiere die Mehrheit mit ihrer Hetzpropaganda. Dabei wisse niemand, aus welchen Quellen die Gelder stammten, mit denen sie ihren Apparat finanzierten.
Der Vorsitzende der Internationalen Arbeitsgemeinschaft, Alexander Tiplt, berichtet, dass das gesamte ihnen zur Verfügung stehende Material dem bayerischen Justizministerium zugeleitet worden sei. Ein Oberstaatsanwalt habe ihnen erklärt, dass es nach der deutschen Rechtslage nicht möglich sei, gegen diese Umtriebe vorzugehen. Durch die organisatorischen und publizistischen Aktivitäten der Exil-Ungarn werde die demokratische Ordnung der Bundesrepublik nicht unmit-
telbar gefährdet. Der Generalsekretär der freien ungarischen Gewerkschaften in der Bundesrepu-
blik, Ernö Kiraly, ergänzt, sie seien von den Justizbehörden belehrt worden, dass selbst das Gesetz gegen Rassenwahn und Völkerhass keine Handhabe biete, den antisemitischen Umtrieben dieser Leute das Handwerk zu legen. Nachdem die deutsche Justiz sich als machtlos erwiesen habe, sagt Demeter, wolle man mit dem Weißbuch an die Öffentlichkeit treten. Die darin vorgestellten Doku-
mente sollen nun einer Reihe von Bundestagsabgeordneten übergeben werden.“2
SPANIEN
USA und UdSSR
Die Eiszeit zwischen Washington und Moskau taut ein wenig. Eisenhower und Chruschtschow bla-
sen im September in Camp David offiziell den Kalten Krieg ab. Diese Zäsur weicht auch antikom-
munistische Haltungen in der BRD vorsichtig auf und ermöglicht wieder eine verstärkte Hinwen-
dung zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit.
1 Foto: Mario Garrubba, in: werden. Jahrbuch der deutschen Gewerkschaften, Köln 1959, 138/139.
2 Wolfgang Kraushaar, Die Protest-Chronik 1949 – 1959. Eine illustrierte Geschichte von Bewegung, Widerstand und Utopie. 4 Bde., Hamburg 1996, 2135 f.
3 Privatsammlung
4 werden. Jahrbuch der deutschen Gewerkschaften, Köln 1959, 12/13.