Materialien 1975

Man muss mit seinem Kopf was riskieren ...

Mit der Polizei kannst nichts riskieren. Da gegen die Polizei noch nie ein Prozess gewonnen wurde, habe auch ich meine Verhandlung verloren, weil ihnen geglaubt wird, auch wenn sie zu fünft dasselbe Protokoll mit denselben Rechtschreibfehlern haben. Als Hund und Schweine hätte ich sie beschimpft. Ja, wenn ich kein Schriftsteller wär, dann hätte ich mich dieses üblichen Polizeibeschimpfungsjargons bedienen müssen, wenn ich mich überhaupt einer Beschimpfung bedient hätte, denn ich habe sie nicht beschimpft. Wenn ich die Polizisten beschimpft hätte, habe ich zum Richter gesagt, dann hätte ich »ihr Dregsei« gesagt. Aber das bayerische Gericht machte sich lächerlich, indem es mich verurteilte und niemand lachte. Obwohl ich sie gar nicht beschimpft habe, das ist doch komisch. Lach doch! Lachts doch über eure Polizei. Meine Polizei ist sie nicht. Die tät ganz anders ausschaun, aber ich will nicht streiten … Die Frage allerdings »Haben Sie ein Hirn?« kann einwandfrei nur ein Metzger beantworten (oder sonst jemand, der Fleischwaren verkauft). Während ich so vor mich hinmosere, wer taucht da auf? Ein Schatten, einer von der Aktion Dasanderebayern. Und was sagt er? Er sagt, dass sie meinen Beitrag »Blutentnahme« in ihrem Lesebuch zu einem Freistaat nicht gebrauchen konnten, weil der Staatssekretär Glotz bangt, dass eventuell der Bundesjustizminister Vogel meinen Beitrag lesen könnte und vielleicht meinen, was ich schrieb, sei gegen die Polizei. Schleich dich! So vertrieb ich dieses Gesprenkel (von Mensch) des großen Schattens. Ich bin dann an den Starnberger See gegangen, wo passend düster der kleine Mond unterging, und ich habe mir gesagt, das soll mein Land sein, wo ich woanders nicht leben kann, und ich fühle mich fern wie am Tschadsee …

Herbert Achternbusch, Neues von Ambach,
in: Filmkritik 20 (1976), 338 – 341.

Neu in: Helmut Bachmaier (Hg.), Kurzer Rede langer Sinn. Texte von und über Karl Valentin, München 1990, 272 ff.